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Die Comtessa

Die Comtessa

Titel: Die Comtessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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wollen. Da hatte Jori lange gebettelt, ihn mitzunehmen. Doch was sollten sie auf der gefährlichen Reise mit einem halben Kind anfangen, das nicht einmal reiten konnte? Andererseits, wie alle wussten, hatte Jori sich in der Nacht würdig erwiesen, seinen Platz unter ihnen einzunehmen. Felipe hatte nur mit den Schultern gezuckt, Severin war sofort dafür gewesen, und als dann auch Ermengarda für ihn sprach, ließ sich Arnaut erweichen. Sie hatten den Jungen auf das Maultier gehoben, wo er sich fortan tapfer festgeklammert hatte.
    Quer über die Felder waren sie im letzten Licht des Mondes geritten und dann westwärts bis in die ersten sanften Erhebungen der Corbieras. Um sich im unbekannten, offenen Gelände nicht zu verirren, hatten sie bis zum Morgengrauen in einem Waldstück ausgeharrt. Ermengarda, vor Übermüdung völlig erschöpft, hatte ein wenig schlafen können.
    Im Kloster unter ihnen regte sich etwas. Sie sahen einen Mönch, der mit aufgekrempelten Ärmeln einen Holzeimer über den Hof und zu den Ställen schleppte. Vermutlich Küchenabfälle für die Tiere, denn bald darauf hörte man Schweine quieken und grunzen.
    Verstohlen blickte Arnaut zu Felipe hinüber, der neben ihm im Gras lag und auf einem Halm kaute. Felipe hatte nichts dagegen gehabt, diesen Umweg über Fontfreda zu nehmen, und hatte sie alle unterwegs mit Scherzen und ausgelassenen Sprüchen bei Laune gehalten. Am Fluss, nachdem der Fischer endlich davongerudert war, hatte Ermengarda den jungen Fürstensohn stürmisch umarmt und sich überschwenglich bei ihm bedankt, während Arnaut abseits zugeschaut hatte.
    Doch dann hatte sie ihn ebenfalls bei der Hand genommen. Alles habe sie nur Arnaut und seinem Mut zu verdanken, ohne ihn wären sie kläglich gescheitert. Auch Felipe hatte ihm begeistert auf die Schulter geklopft und ihn Bruder genannt, nachdem die Geschichte ihrer Flucht aus dem Palast erzählt war. In der Erinnerung konnte Arnaut immer noch Ermengardas Hand spüren. Weich und zart hatte sie sich angefühlt.
    »Gehen wir«, sagte er. »Keine
soudadiers
zu sehen.«
    Sie zogen sich zurück und schlugen sich auf der rückwärtigen Seite des Hügels durch Wald und dichtes Unterholz bis hinab zum schmalen Pfad, wo die anderen mit den Pferden warteten. Alle, außer Ermengarda und Jori, steckten in schweren Rüstungen, trugen Schild und Schwert. Es ließ sie älter aussehen, als sie waren. Sie fühlten sich als ehrenvolle Ritter ihrer Garde, wild entschlossen, die Erbin von Narbona bis zum letzten Mann zu verteidigen.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Raimon.
    »Niemand hier, außer den Mönchen«, erwiderte Felipe.
    Raimon hatte im letzten Augenblick beschlossen, sich ihnen anzuschließen, obwohl er in der Rüstung aussah, als sei ihm der Umgang mit Waffen nicht ganz geheuer. Er sei kein großer Krieger, hatte er selbst zugegeben, aber er habe es satt, nur den Höfling zu spielen. Eine Reise mit Ermengarda sei doch gewiss kurzweiliger. In kluger Vorausschau hatte er neben seiner eigenen Ausrüstung auch ein Maultier mit warmen Decken und ein paar Zeltplanen beigesteuert, Dinge, die Felipe in seinem Eifer vergessen hatte. Falls also nötig, würden sie zumindest für Ermengarda ein wärmendes Zelt errichten können.
    Felipe und Arnaut saßen auf, und die kleine Truppe setzte sich in Bewegung. Auch mit der Wahl des Zelters hatte Felipe kein Glück gehabt, denn obwohl ein schönes und wertvolles Tier, war er Ermengarda zu brav. Sie hatte Arnauts kräftigen Wallach Basil vorgezogen. Ein Zelter sei etwas für Mädchen, hatte sie gescherzt, und passe doch kaum zu einem jungen Knappen, oder?
    Unterwegs hatten sie lange darüber gestritten, ob sie vor den Mönchen Ermengardas Maskerade aufrechterhalten sollten. Aber irgendjemandem mussten sie doch vertrauen, und
Paire
Imberts Empfehlungsschreiben würde gewiss für ihr Anliegen sprechen, nicht zu vergessen Bruder Aimar, der, wie Arnaut behauptete, das Vertrauen des Priors genoss.
    Sie näherten sich dem Kloster von der rückwärtigen Seite und erreichten das breite Hoftor in der aus einfachen Feldsteinen errichteten Einfriedung hinter den Scheunen und Ställen. Der gleiche Mönch, der zuvor die Schweine versorgt hatte, stellte die mistbeladene Schubkarre ab und kam ihnen entgegen. Sein Haar unter der Tonsur war graugefleckt, und an den schwieligen Händen standen die Adern hervor. Am Torgatter blieb der Mann stehen und musterte sie misstrauisch.
    »Wir wünschen den Prior zu sprechen«, sagte Arnaut,

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