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Die Comtessa

Die Comtessa

Titel: Die Comtessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Wange. »Da hab ich noch nicht so ausgesehen.«
    »Ja, da gab es eine Maria. Ich erinnere mich schwach.« Es gab so viele Bedienstete im Palast. »Und warum musstest du gehen?«
    Maria zeigte sich verlegen. »Das ist lange her. Ich möchte nicht darüber reden.«
    Ermengarda spürte, dass Maria etwas verbarg. »Hast du etwas angestellt?«, platzte sie heraus und bereute es sofort. Diese Menschen hatten sie gerettet. Was musste sie so dumme Fragen stellen? »
Perdona me!
Es geht mich überhaupt nichts an.«
    Sie wollte Maria entschuldigend die Hand auf den Arm legen und zuckte im letzten Augenblick vor Ekel zurück. Darüber schämte sie sich noch mehr und schlug die Hände vors Gesicht. »Oh, mein Gott, es tut mir leid. Warum hat Gott dich so gestraft?«
    Maria seufzte. »Warum es den einen trifft und nicht den anderen, kann niemand sagen. Warum wird jemand vom Blitz getroffen? Nur Gott weiß das. Es ist übrigens nicht so ansteckend, wie alle glauben. Ihr müsst keine Angst haben. Inzwischen habe ich mich damit abgefunden. Wir sind hier wie eine Familie und helfen einander bis zum Ende. Verwandte bringen manchmal etwas zu essen. Ich wünschte nur, man würde uns nicht so verachten und schlecht behandeln.«
    »So Gott will, werde ich eines Tages etwas für euch tun.«
    Maria lächelte schüchtern und betrachtete dann lange ihre abgemagerten Hände, bevor sie weitersprach. »Was Eure Frage angeht … ich war damals Zeuge von Dingen, die man nicht wissen sollte. Das ist alles.«
    Ermengarda nickte und drang nicht weiter in sie ein. Nach dem Ende der mageren Mahlzeit schlurften die meisten hinaus, um sich in ihren eigenen Unterkünften zum Schlaf zu legen.
    »Besser, ihr bleibt fürs Erste«, meinte die Alte. »Wer weiß, wie lange die euch heute noch suchen.«
    »Um Mitternacht müssen wir gehen«, gab Jori zu bedenken, »wenn die Glocke von Sant Just schlägt. Der Treffpunkt ist weiter flussabwärts. Da werden sie mit einem Boot warten.«
    »Ruht euch aus. Ich werde euch wecken.«
    Die Alte kam ächzend auf die Füße und holte ein paar von Mäusen angefressene Decken. Ermengarda lehnte ab und zog sich ihren Umhang enger um die Schultern. Arnaut legte sich ohne Umstände auf den nackten Boden und rollte sich in eine der Decken. Die Alte deckte Jori liebevoll zu, der es sich auf einem Strohhaufen bequem gemacht hatte.
    »Er ist ein guter Junge«, sagte sie. »Ein guter Junge.«
    Langsam wurde es still in der Hütte. Das Feuer brannte nieder, und Ermengarda, die sich neben Jori auf die Strohschütte gelegt hatte, lauschte auf die Atemzüge der Schläfer.
    Wie brachte Arnaut es fertig, zu schlafen? Sie selbst bekam kein Auge zu. Ungeachtet, was Maria gesagt hatte, war in ihr immer noch die Angst zu groß, sich anzustecken. Sie hüllte sich ganz in ihren Umhang, um jede Berührung mit dem übelriechenden Stroh zu vermeiden. Und doch juckte es sie an allen Gliedern, als hätte ein Heer von Flöhen sie überfallen. Bei jedem Ruf eines Käuzchens oder dem Rascheln einer Feldmaus schreckte sie auf. Und mit fortschreitender Nacht wurde es kalt, bis ihre Füße zu Eis wurden und sie nicht aufhörte, in die Finger zu hauchen, um sie ein wenig zu wärmen.
    Wie eine Erlösung wehte endlich der ersehnte Glockenschlag von der Stadt herüber. Die Alte rührte sich auf ihrem Lager, stöhnte ausgiebig, begann zu husten und zu fluchen, setzte sich geräuschvoll auf.
    Da spürte sie Arnauts Hand auf ihrem Arm.
    »Komm. Es ist Zeit.«
    Die Alte warf ein paar Scheite auf die Glut, ließ das Feuer aufflackern. Aber nicht einmal das angebotene Wasser wollte Ermengarda trinken, nur endlich weg von diesem Ort. Plötzlich stand Maria da und lächelte aus ihrem entstellten Gesicht.
    »Geht mit Gott, Herrin. Und vergesst uns nicht!«
    Ermengarda schluckte und wusste nichts zu sagen. »Eines Tages lass ich ein richtiges Haus für euch bauen«, sagte sie aus Verlegenheit. Sie wandte sich auch an die Alte. »Ja, das will ich tun. Ein
hospitium.
Und habt Dank nochmals.«
    Dann waren sie draußen an der kalten, feuchten Luft, und Ermengarda sog sie tief in ihre Lungen.
    Ein bleicher Halbmond leuchtete ihnen den Weg. Jori ging voran. Stumm marschierten sie dahin, und Ermengarda wusste bald nicht mehr, wo sie sich befanden. Sie folgten schmalen Fußpfaden durch taufeuchtes Gras, halbhohes Gestrüpp und verkrüppelte Kiefern. Jedes Rascheln im Gebüsch erschreckte sie. Gelegentlich kamen sie an Feldern vorüber oder eingezäunten Koppeln, auf denen die

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