Die Containerfrau
Im Schritt. Und stellt fest, dass Wald und Straße und die ganze Welt verzaubert sind. Sie fährt im Kreis, landet immer wieder auf diesem Parkplatz. Egal, wie sie fährt, ob nach rechts oder nach links, immer endet sie da, wo sie angefangen hat. Auf dem Parkplatz.
Das Auto der Männer mit den Hunden steht noch immer da. Sonst ist niemand gekommen, nur dieses eine Auto. Sie legt den Kopf aufs Lenkrad, fühlt sich verlassen, so ganz und gar verlassen. So allein. Die Königin sitzt nicht mehr auf dem Rücksitz. Die Frau, die in der Kate neben ihr stand und so stark war, ist verschwunden. Niemand sitzt hinter ihr oder neben ihr. Sie ist im Kreis gefahren. Kann diesen finsteren Wald nicht verlassen. Obwohl das Tageslicht die Natur überflutet, ist alles finster. Zauberwald. Zauberlandschaft. Verschlossen. Sie ist wie ein Segelschiff, das fährt und fährt und nicht von der Stelle kommt. Denn sie steckt in einer Flasche. Ist ein Buddelschiff. Kontrolliertes »Laufställchen«. Wenn sie nur wüsste, wer sie hier »laufen lässt«. Wenn sie ein Gesicht hätte, einen Namen, etwas, mit dem sie umgehen kann. Sie hat nichts, nichts hat sie. Keine sichtbaren Feinde, keine freundlichen Helfer, niemanden.
Sie hat nur ein großes Loch im Kopf, eine verschlossene Tür, zu der sie nicht den Schlüssel finden kann. Sie bricht in Tränen aus, schlägt mit wehen Fingern auf das Armaturenbrett ein und verflucht die ganze Welt. Aber das hilft ihr auch nicht weiter. Sie fischt die Visitenkarte aus der Tasche, streicht sie gerade und denkt an zwei Augen, in die sie in einem ganz anderen Leben hineingestarrt hat, die Augen einer Frau, einer Frau die redete und redete, die zu trösten versuchte. Einer, die wieder aufgetaucht war, ihr einen Blumenstrauß auf den Nachttisch gelegt und ihr unter der Decke eine Visitenkarte in die Hand geschoben hatte. Und die eine Zeitung hinterlassen hatte. Vergessen oder verloren. Sie hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit der Königin. Aber etwas war da, an ihren Augen, an ihrer Stimme. Nein, es war gar nichts, nirgendwo, alles nur Einbildung, ein Strohhalm, eine freundliche Handlung aus dem Hinterhalt, auf die sie nicht anbeißen soll, hat die Königin gesagt. Aber irgendwo muss sie »anbeißen«, um weiter zu kommen, weiter und fort. Sie kann nicht in alle Ewigkeit hier sitzen bleiben und sich am Lenkrad eines Autos anklammern, das immer nur im Kreis fährt.
Mit der Visitenkarte von Kommissarin Anne-kin Halvorsen in der einen und dem Mobiltelefon des Jägers in der anderen Hand wählt sie eine Nummer. Nichts passiert. Nur Rauschen und Knacken. Sie macht noch einen Versuch, drückt vorsichtig auf eine Taste nach der anderen.
Es klingelt. Einmal, zweimal. Jemand meldet sich. Eine Frauenstimme meldet sich. Irgendeine Stimme außerhalb dieses Labyrinths, in dem sie festsitzt, meldet sich. Sie kann nur Wortfetzen hörten, nimmt ein Wort wahr: »Polizei«. Es ist die falsche Stimme, es ist nicht ihre Stimme, es ist eine Zentralenstimme. Sie bricht die Verbindung ab.
Sieht sich die Visitenkarte noch einmal an, sieht das Wort »Mobil« vor einer anderen Nummer. Macht noch einen Versuch. Umklammert krampfhaft das Handy des Jägers und wählt diese Nummer. Es klingelt nur einmal, dann hört sie ein »hallo?« Und dann sagt die Stimme etwas, das sie nicht versteht. Aber es ist ihre Stimme, es ist die Stimme, die zu einem Gesicht gehört, das sie gesehen hat, als sie fast schon auf der anderen Seite war, als sie im Gestank von etwas lag, das schlimmer war als alles andere. Es ist die Stimme, die vor ihrer Flucht vor denen, die nachts mit Spritzen angeschlichen kommen, mit ihr gesprochen hat, es ist die Stimme, die …
»Hello«, flüstert sie. »Hello.« Sie schwitzt, sie muss reden, sie muss jetzt reden, sie muss dieser Frau begreiflich machen, dass sie …
»Hallo?«, hört sie noch einmal.
»Please help me«, flüstert sie. Und ob das leise Stöhnen, das sie hört, von ihr oder von der anderen stammt, weiß sie nicht.
»Please«, hört sie nach einer kurzen Pause. »Please, don’t hang up.« Sie hängt nicht »up«. Dann fragt die Frau, wo sie sei, fragt immer wieder, wo sie sei, sagt, sie werde kommen, sie werde sofort kommen.
»Please, don’t be afraid«, hört sie.
Sie lächelt schief. Guter Rat. Aber sie ist »afraid«, ist dermaßen außer sich vor Angst und »afraid« wie noch nie in ihrem Leben. Und sie hat keine Wahl. Sie muss dieser Frauenstimme erzählen, wo sie ist. Muss es jedenfalls
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