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Die Containerfrau

Die Containerfrau

Titel: Die Containerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Smage
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Anne-kin Halvorsen. Little-Irina! War eine von den anderen etwa noch jünger als du?
     
    Die wütende Türklingel lässt beide hochfahren. Sie scheppert wie ein Unwetter, das war immer schon so. Sogar die Stereoanlage wurde übertönt, wenn die Teufelskinder auf der Straße das uralte Spiel trieben und bei aller Welt klingelten.
    Eins, zwei, drei Klingelsignale. Kommissarin Halvorsen bewegt sich langsam auf die Tür zu, versucht sich die Lage draußen vorzustellen. Sie geht davon aus, dass Sundt Waffen bewilligt worden sind, dass er an passenden Stellen Leute versteckt hat, mit dem strengen Befehl sich ruhig zu verhalten. Zu beobachten, zuzusehen, wie Irina entwaffnet wird. Ihr Chef hat sich nur zu einer freiwilligen Waffenübergabe bereit erklärt. Keine Abzug geilen Finger auf eigene Initiative. Und dann wird er allein dort stehen, nein, möglicherweise wird auch die Dolmetscherin dabei sein, wenn Irina darauf bestanden hat, wenn es zu ihren Forderungen gehört. Anne-kin verwirft diese Theorie sofort wieder. In dieser Hinsicht würde Sundt nie gegen die Vorschriften verstoßen, niemals würde er Zivilistinnen in die Schusslinie geraten lassen. Sie hofft nur, dass Irina gescheit genug sein wird, ihm den Revolver mit dem Schaft zuerst hinzuhalten. Und dass sie nicht plötzlich von irgendeinem blödsinnigen Scheinwerfer geblendet werden.
    Die Treppenstufen knacken, als sie hinuntergehen. Sie lässt ein Stoßgebet los, Frau Rakel A. Steen möge nicht durch ihren Türspalt lugen, um ihre Neugier zu befriedigen. Frau Steen ist übrigens nicht neugierig, sondern nur fürsorglich. Anne-kin hofft inbrünstig, dass sie ihr Vaterunser gebetet hat und zu Bett gegangen ist. Dicht hinter sich hört sie die Schritte des »Spatz«. Und vor ihr liegen fünf Meter mit Flickenteppichen bedeckter Flur. Und am Ende des Flickenteppichs wartet die Tür. Aus massivem Holz, mit Yale-Schloss und ganz oben einem Fenster, das Licht von der Außenlampe hereinsickern lässt. Keine Scheinwerfer. Der Rentner aus dem Erdgeschoss ist längst schlafen gegangen, der Student, der Carlos’ alte Bude übernommen hat, ist nicht zu Hause. Sie hat von dort seit Tagen schon kein einziges Geräusch gehört. Mit einer Hand auf der Türklinke und einer am Yale-Schloss schließt Kommissarin Halvorsen auf. Öffnet vorsichtig die Tür. Hört die Frau hinter sich etwas sagen, das sie nicht versteht. Anne-kin hält mitten in der Bewegung inne, lässt den Türspalt nicht breiter werden.
    »What«, fragt sie, will in diesem Moment wirklich nichts missverstehen oder fehlinterpretieren.
    »Slow«, wird hinter ihrem Rücken geantwortet. »You slow, please.«
    Klar, denkt sie und nickt. Ich bin doch auf deiner Seite, Irina. Mit Schusswaffen vor mir und Schusswaffen hinter mir bin ich der gehorsamste Mensch auf der Welt.
    »Open«, hört sie ein Flüstern. Und Anne-kin spürt gleichzeitig, wie sich eine Mündung in ihren Rücken bohrt. Ihr bricht der Schweiß aus, Herrgott, das kann einfach nicht gut gehen. Ungesicherte Waffe und Frau in Todesangst. Die Bluse klebt ihr am Leib, ein bitterer metallischer Geschmack füllt ihren Mund, und die salzigen Tropfen, die ihr in die Augen laufen, sind keine Tränen. Das ist Angstschweiß. Plötzlich begreift sie, was manche Menschen dazu bringt, sich in die Hose zu pissen.
    »Open.« Mit feuchten Händen öffnet sie die Tür, vorsichtig, ganz vorsichtig. Dort draußen steht Sundt. Im Lichtfeld der Außenlampe steht der gute alte kleine, Große Sundt. Keine bedrohliche Haltung, fast entspannt und ruhig steht er dort, wartet auf zwei trödelnde Damen, mit denen er einen losmachen will. Sie würde unendlich gern losstürzen, ihm in die Arme fallen und das beenden, was sie fast nicht mehr ertragen kann. Der Blick, der sie trifft, bringt sie zur Besinnung. Auch er hat Angst. Hinter seiner scheinbar entspannten Haltung verbirgt ihr Chef seine Angst. Seine kontrollierte Angst. Und er steht allein da. Was die Schatten verbergen, verbergen sie gut. Aber sie sind da, da ist sie sich sicher. Die Mündung weicht nicht zurück, Irina geht dicht hinter ihr. Eine kleine Bewegung, und sie weiß, dass sie einen Schritt nach rechts gehen soll. Damit die Tür ins Schloss fallen kann. Der »Spatz« folgt. Hinter ihr, die ganze Zeit hinter ihr. Nichts passiert. Nur der Atem in ihrem Nacken, ein feuchter Mädchenatem, keuchend, wie nach einem Spurt. Sie bleiben stehen. Lange. Alles kommt ihr lange vor. Ihre Augen gewöhnen sich an die Dunkelheit hinter

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