Die Containerfrau
sind doch ein Klacks im Vergleich zu einem Schusswechsel in der Nachbarschaft.
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Die Firma Nybo AG in Gestalt ihres Geschäftsführers ist früh auf den Beinen. Im Büro im Hafen meldet sich kein Anrufbeantworter, sondern der Chef selbst. Er versteht, was Sache ist, sieht ein, dass die Polizei die Tür zur Dachwohnung aufbrechen und diese durchsuchen musste.
»Was für eine verdammte Geschichte«, sagt er nur. »Kann ich irgendwie behilflich sein?« Ob er die Interessenten durch die Wohnung führt? Ja, das tut er. Und ob es mehrere Schlüssel gibt? Nein, die Firma leiht den Interessenten keine Schlüssel, sie dürfen die Wohnungen nur in Begleitung betreten. In den meisten Fällen ist er diese Begleitung. Oder seine Frau. Ob jemand seit der letzten Führung dort gewesen ist? Nein, das ist nur ein paar Tage her, noch immer laufen neue Angebote ein. Sie werden sich also Zeit lassen, den bestmöglichen Preis erzielen, wenn die Polizei versteht. Die Polizei versteht. Sundt bittet ihn, zu der Wohnung zu kommen. Sivert K. Ljaam hat die Häuser bauen lassen, er kennt sich dort aus, möglicherweise hat die Polizei ja etwas übersehen. Er wird schneller als schnell kommen, das hier ist wirklich traurig. Und kommt ungelegen. Kann den Markt beeinflussen, den Verkaufspreis.
Sundt stöhnt leise, als er auflegt. So ist das Leben als Geschäftsmann also, denkt er, man muss immer an Kronen und Öre denken, an Gewinn und Verlust, während eine Polizistin beschossen wird und ein anderer Mensch nur eine Überlebenschance von zwanzig Prozent hat. Ein Kollege hört sein Stöhnen, schaut rasch zum Chef herüber:
»Gibt’s was Neues aus dem Krankenhaus«, fragt er, während er die Papiere in seinen Händen anstarrt. Sundt schüttelt den Kopf, fischt die Wagenschlüssel aus der Tasche und macht sich auf den Weg nach Møllenberg. Pressemeldung und Pressekonferenz müssen warten, er kann den Medien ja doch kaum etwas Neues erzählen.
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Sie wird aufgefordert nach Hause zu gehen. Die Operation ist zu Ende und sie werden erst in einigen Stunden mehr wissen. Die Patientin ist noch bewusstlos und wird kontinuierlich überwacht. Die Elektronik überprüft Herz, Puls, Blutdruck und alles, was überprüft werden kann. Hier können sie nicht mehr ausrichten. Anne-kin Halvorsen, die an Stein-Jørgens Schulter vor sich hingedöst hat, sieht ein, dass die anderen leider Recht haben. Es bringt nichts hier sitzen zu bleiben. Sie ruft auf der Wache an, erfährt, dass Sundt in Møllenberg ist, erreicht ihn per Handy und sagt, sie wolle in ihr Büro fahren. »Lies den Bericht der Dolmetscherin«, sagt Sundt. »Den und das kurze Gespräch, das sie mit dem ›Spatz‹ geführt hat.« Ja, genau das hatte Kommissarin Halvorsen vor, sie will in Erfahrung bringen, was in dieser fremden Sprache mit den singenden Konsonanten gesagt worden ist.
»Nimm Kontakt nach Murmansk auf«, hört sie dann. Ist der norwegische Kriminalbeamte in Murmansk also schon informiert? Der Posten ist neu, das entsprechende Abkommen ist erst im März diesen Jahres getroffen worden. Vor allem geht es um den Grenzverkehr. Bei dem leider mehr passiert als nur harmloser Verkauf von Babuschka-Puppen und schwarz gebranntem Schnaps.
Das Sexgeschäft floriert, Busladungen werden hin und her geschafft. Sperma wird hinein, Geld wird herausgepumpt. Und beides geht nicht unbedingt an dieselbe Person. Trotzdem geht Anne-kin davon aus, dass dieser Posten ein kleines Signal an Mafiosi jeglicher Couleur ist, dass sie sich ein wenig beherrschen sollen, was norwegische und norwegisch-russische Firmen in der Region betrifft. Denn dort spielt sich die gröbste Kriminalität ab.
»Bist du sicher, dass ich dich nicht nach Hause fahren soll?« In Stein-Jørgens Stimme liegt ungeheuer viel Fürsorge. Er fährt los, ohne auf ihre Antwort zu warten, begreift jedoch, dass »nach Hause« für Anne-kin nicht Schlaf und Ruhe bedeutet, sondern Passivität und die Wände hochgehen. Eine feuchte Umarmung, und sie rennt durch die Hintertür der Trondheimer Wache.
»Wir telefonieren«, ruft sie und ist verschwunden. Stein-Jørgen bleibt noch eine Weile sitzen und starrt die geschlossene Tür an. Anfangs hatte er Anne-kin und ihre Arbeit spannend gefunden, er hatte noch keine Kriminalbeamtinnen kennen gelernt und schon gar nicht geküsst oder im Bett gehabt. Sie ist für ihn noch immer eine spannende Frau, aber ihr Beruf? Der missfällt ihm mehr und mehr. Er findet ihn direkt widerlich. Er hofft, dass
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