Die Containerfrau
aufstellen. Falls das nötig wird.
32
Die Morgennachrichten im Radio sind ein gutes Stück polizeilicher Ermittlungsarbeit. In der Nacht und den Morgenstun den haben die Radioleute ebenso viele Informationen über Hausbesitzer, Mietverhältnisse, Dachwohnungen und mögliche Fluchtruten für Heckenschützen zusammentragen können wie die Polizei. Sundt hört sich abwechselnd seine eigenen Kommandos und die Morgensendungen der Lokalsender an. Mit jedem Ohr eins. Eigentlich dürfte es ihm gar nicht gefallen, dass die Medien so verdammt tüchtig sind, aber Ehre wem Ehre gebührt. Es passt ihm nicht, aber diese Leute sind tüchtig.
»Warum arbeiten die nicht bei uns?«, blafft er, als ein Polizist null Aktivität in Aufgang B meldet. Er dreht sich um und ist verschwunden, noch ehe der Polizist »Hä« oder »Sorry, Sir« sagen kann. Sundt vergleicht die Informationen miteinander, interne wie externe.
In zirka vierzig Prozent des Bauvolumens wohnen Familien mit Kindern, der Rest verteilt sich auf ältere Alleinstehende, vor allem Frauen, und jüngere Alleinstehende, vor allem Männer. Dann gibt es noch kinderlose Paare sowie drei Stipendiaten der TH. Und in einer Dachwohnung haust eine Radiosprecherin. Genau, denkt Sundt, da haben wir die Info-Bank. Aber es stellt sich heraus, dass die Frau verreist ist, dass sie zu Gyrodactylus-Fällen Interviews an der Küste führt. Über Notschlachtung, Konkurs und Not.
»Gyrodactylus gibt es nur in Flüssen«, korrigiert Vang. »Die Parasiten, die Zuchtlachs befallen, heißen …« Sundt macht auf dem Absatz kehrt, er will nichts über komplett gleichgültige Fischkrankheiten hören, die mit seinem Fall aber auch gar nichts zu tun haben.
Alle Dachböden sind renoviert worden, was heißt, staubige, riesige dunkle Flächen mit von Vogelkot und Spinnweben verklebten Fensterchen sind zu Panoramawohnungen geworden, für die der eventuelle Käufer einen sechsstelligen Betrag hinblättern muss. Und verkauft sind sie, fast alle. Abgesehen von der Radiofrau, die nur zur Miete wohnt, und noch einer Wohnung, die derzeit angeboten wird. Das unterste Gebot beträgt
1,3 Millionen. Sundt zuckt nicht einmal mit der Wimper, in Trondheim, in Norwegen, ist eine neue Yuppiezeit eingekehrt. Das Geld sitzt locker. Er sieht, dass Radionachrichten und Polizei zu denselben Informationen gelangt sind, was die Besitzverhältnisse angeht. Die Firma ist registriert als AG, Nybo AG, eine Unternehmens- und Maklerfirma. Eigentlich ein kleiner Fisch unter den großen Maklerfirmen in Trondheim Geschäftsführer und Besitzer der Aktienmehrheit ist Sivert K. Ljaam, verheiratet, zwei erwachsene Kinder, wohnhaft in einem Einfamilienhaus in einem relativ normalen Viertel, Büro am Hafen, einige Mieteinheiten im Zentrum. Zwölf Jahre zuvor wegen Hinterziehung der Mehrwertsteuer mit einer Buße belegt. Tüchtiger Geschäftsmann, keine ernsthaften Klagen/Beschwerden der Käufer.
Hauptkommissar Sundt hat immer dasselbe Sciencefiction-Gefühl, wenn Informationen, für deren Beschaffung sie vor einem knappen Jahrzehnt noch Tage oder Wochen gebraucht hätten, jetzt im Handumdrehen aus dem Drucker ticken. Ein bisschen geschickte Fingerarbeit, das entsprechende Passwort für das richtige Register und ein kreativer Mensch vor dem Bildschirm, dem diese Aufgabe gefällt. An Arbeitsfreude und Gründlichkeit der Person, von der der Bericht stammt, den Sundt jetzt in Händen hält, ist jedenfalls nichts auszusetzen. Sogar das Hobby des Geschäftsführers wird erwähnt: Pferde, Zucht und Rennen. Aber Sundt begreift nicht, wozu es gut sein soll, wertvolle Arbeitszeit zu verschwenden, um zu ermitteln, dass die Gattin des Geschäftsführers den Führerschein für Busse und LKW besitzt. Die Jungs können auch zu tastengeil werden, denkt er und blättert weiter.
Zwei der Häuser, aus denen die Schüsse aller Wahrscheinlichkeit abgegeben worden sind, gehören der Firma Nybo AG. Die meisten Wohnungen sind wie gesagt verkauft, bis auf zwei Dachwohnungen. Die eine bewohnt die verreiste Rundfunkfrau. Die Polizei hat schon über eine vom Winde zerwehte Mobilverbindung Kontakt zu ihr aufgenommen und mitgeteilt, dass sie ihre Wohnung aufgebrochen hatten. Vang hatte den Eindruck, als er sie endlich erreicht hatte, dass sie sagte: »Bitte sehr, greifen Sie … Rauschen. Aber verdammt … Rauschen … Unordnung macht! Rauschen … tot.« Er geht davon aus, dass sie mit der Schnellfähre in die Stadt zurückkehren wird. Die Lachsparasiten
Weitere Kostenlose Bücher