Die Containerfrau
wirklich nicht besser.
»Unangenehm«, sagt die Dame plötzlich. »Sehr unangenehm. Wir wollen diese Wohnung doch verkaufen, einen guten Preis erzielen … so viele Investitionen und Kosten, wie unsere Firma gehabt hat … damit wir einen anständigen Preis herausholen können, und jetzt, jetzt ist etwas passiert, jetzt hat in der Nähe des Hauses ein Schusswechsel stattgefunden, und das wird sicher Auswirkungen haben auf …« Sie macht eine resignierte Handbewegung. Den Marktwert, fügt Sundt in Gedanken hinzu. Aber wollen sie nicht bald fragen, wie es Kommissarin Halvorsen und ›der anderen Person‹ geht, wie Irina aus Murmansk im Radio genannt worden ist, überlegt er dann. Diesen. Mangel an Interesse für zwei Menschen, auf die geschossen worden ist, findet er doch recht seltsam.
»Ihre Kollegin ist nicht verletzt worden?« Plötzlich ist die Frage da. »Nein, zum Glück nicht«, antwortet er nur. Wartet. Trinkt Kaffee und wartet.
»Und dieser andere, von dem in den Morgennachrichten die Rede war, wie geht es ihm?« Diese Fragen stammt von der Gnädigen. Sieh an, sie haben sich die Morgennnachrichten des Lokalsenders angehört. Aber sie wissen noch nicht, dass es kein er ist.
»Das wissen wir noch nicht«, lautet seine Antwort.
»Entsetzlich«, sagt jemand. Der Mann. »Es ist einfach entsetzlich, dass jemand die Schlüssel stiehlt, nachts hier eindringt und meine, unsere Wohnung benutzt, um auf andere Menschen zu schießen. Da muss ich mir doch in den Arm kneifen, wir leben schließlich in Trondheim, zum Henker, hier schießen die Leute nicht aufeinander, jedenfalls nicht aus meinen Wohnungen. Herrgott!« Er stützt den Kopf in die Hände und scheint in Tränen ausbrechen zu wollen. Sundt ist nicht eine Sekunde lang gerührt, er findet den ganzen Mann, sein ganzes Auftreten, dermaßen theatralisch und verworren, dass er nicht begreifen kann, wie hinter dieser Fassade ein erfolgreicher Geschäftsmann stecken soll.
»Hast du den Herrn Polizeidirektor auf unseren Küchenaufzug aufmerksam gemacht, Lieber?«, fragt die Gnädige. Sundt grinst. Das hätte der Polizeidirektor mal hören sollen, dass Frau Ljaam ihn hier auf dessen Posten hievt.
»Sicher«, murmelt der Mann als Antwort. »Und wir sind überein gekommen, dass kein Mensch, Schlangenmensch oder nicht, sich in diesen Aufzug klemmen und selber an den Seilen ziehen kann, um sich vier Stockwerk nach oben zu befördern. Es sei denn, es waren zwei, ein David und ein Goliath. Und außerdem war die Luke zur Küche unversehrt«, fügt er hinzu.
»Und was ist mit der Leiter?« Die Gnädige lässt nicht locker. »Hast du den Herrn Polizeidirektor auch darauf aufmerksam gemacht? Hätte da nicht jemand hochklettern und vielleicht die Luke vorsichtig öffnen können, um dann in die Wohnung einzusteigen und …« Sie dreht sich zu Sundt um.
»Was ist mit Frau Sagen?«, fragt sie. »In ihrer Wohnung geben die Gäste sich doch die Klinke in die Hand. Sie kann nicht rein zufällig irgendeiner Bekanntschaft Schlüssel und Übernachtungsmöglichkeit angeboten haben? Während sie irgendwo an der Küste war? Zur Feldforschung, wie sie gesagt hat? Über Lachsparasiten?«
Anne-kin, denkt Sundt, Halvorsen, jetzt müsstest du hier sein. Jetzt brauche ich dich. Brauche deinen Riecher. Denn irgendetwas stimmt nicht an diesem Gespräch mit Kaffee und trockenen Plätzchen, mit verworrenem Immobilienmakler und robuster Gattin, irgendetwas stimmt hier nicht.
38
Nach drei Tassen Kaffee und einem trockenen Plätzchen steigt Sundt ins Auto und fährt zurück zur Wache. Dort liefert er Sivert K. Ljaam zur Vernehmung ab. Der Mann hat keine Einwände, sagt, »selbstverständlich, selbstverständlich«, wenn er behilflich sein kann, dann nur zu gern. Aber jemand muss sich um das Büro kümmern, es ist doch hoffentlich gestattet, dass seine Frau hingeht? Um den Betrieb in Gang zu halten?
»Nur einen Moment«, sagt Sundt. Er weiß, dass er die Frage der Hausdurchsuchung mit den Juristen besprechen muss, mit der Fahndungsleiterin. Mit Svanhild Riis, und die sagt im Grunde genau das, was Sundt erwartet hat. »Wir müssen einen triftigen Grund zu der Annahme haben, dass sie im Büro der Nybo AG wichtige Beweise aufbewahren. Leuten den Zugang zu ihrem Arbeitsplatz zu verwehren, das ist eine ziemlich ernste Angelegenheit, Sundt …« Das weiß er ja auch, aber zum Kuckuck, er würde gern seine Leute bei Herrn oder Frau Ljaam wissen, wenn die ihre Bürotür aufschließen. Was jedoch
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