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Die Containerfrau

Die Containerfrau

Titel: Die Containerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Smage
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haben mehr als genug Turbulenz und Veränderung in ihrem Alltag, sie finden es schön, von einem Monat zum anderen dieselben Wände zu sehen. Er weiß nicht mehr, ob sie gesagt hat, dass auch sie dort Stammgast ist, die Trondheimer Kneipenszene ist Lichtjahre von seiner Wirklichkeit entfernt. War Live Sagen wirklich in Sachen Lachsparasiten über Land gezogen? Das mussten sie überprüfen. Sie mussten die Dame und mögliche gute Bekannte bei der Truppe überprüfen. Ein Gedanke meldet sich in Sundts müdem Haupt zu Wort, er läuft sofort zu dem Beamten, der Rundfunkreporterin Sagen vernommen hat. Sieht in dem Moment, in dem er die Tür zum Büro dieses Kollegen öffnet, dass er das Perfekt zum Präsens umschreiben muss. Denn dort sitzt Journalistin Live Sagen. Und wenn er es nicht besser wüsste, dann hätte er geglaubt, dass sie dort arbeitet. Die Frau füllt gewissermaßen das ganze Büro. Der Beamte ist im wahrsten Sinne des Wortes in die Ecke gedrängt worden und umklammert seine Papiere wie einen letzten rettenden Balken. Als Sundt hereinkommt, fährt der Beamte zusammen und wirkt einwandfrei erleichtert. Steif und förmlich wendet er sich Live Sagen zu, bedankt sich für das Gespräch und bitte sehr, Sie können gehen.
    Sie hinterlässt eine Atmosphäre von Effektivität, als sie durch die Tür fegt.
    »Stell dir vor, die hat doch tatsächlich versucht mich anzubaggern!« Der junge Beamte zwirbelt sich den Schnurrbart und sieht geschmeichelt und verängstigt zugleich aus. »Die ist vielleicht brutal. Obwohl ich ihr gesagt habe, dass meine Frau mit unserem ersten Kind im Krankenhaus liegt. ›Um so mehr Grund, sich eine Abwechslung zu gönnen‹, hat sie gesagt. Was sagst du dazu?«
    »Gratuliere«, erwidert Sundt und ärgert sich schrecklich darüber, dass ein neu eingestellter Frischling auf Sagen angesetzt worden ist. »Junge oder Mädchen?«
    »Beides.«
    »Hä?« Der Beamte schüttelt den Kopf und kehrt damit in die Wirklichkeit zurück. Dann breitet sich ein breites Grinsen über sein Gesicht.
    »Beides«, antwortet er. »Beides, Sundt. Ein Junge und ein Mädchen.«
    »Hast du noch nie von Vaterschaftsurlaub gehört?«, fragt Sundt.
    »Ab morgen«, ist die Antwort. »Und da hat die dicke Kuh gedacht, ich würde mit ihr ausgehen? Wenn die Zwillinge nach Hause kommen?«
    Dicke Kuh, du meine Güte, denkt Sundt, der noch nie Sinn für klapperdürre Models gehabt hat. Live Sagen ist eine »Rubensfrau«. Wenn auch in einer etwas schlankeren Ausgabe. Aus dem Augenwinkel sieht er die Brustbehaarung des frisch gebackenen Zwillingspapas wachsen. Er verschwindet lieber, ehe Tarzan sich hier materialisiert.
    Bittet um eine Kopie des Protokolls und zieht leise die Tür hinter sich zu.

39
    Im Nachbarraum sitzen Vang und Halvorsen und sind in Murmansk und Übersetzung und Bericht der Dolmetscherin vertieft. Der Beamte im Büro in Murmansk versucht, ausgehend von Irinas spärlichen Auskünften, die Angehörigen ausfindig zu machen. Sie hören eine sympathische Stimme, aber die Verbindung führt sich alles andere als sympathisch auf. Es geht in Wellen, kommt und geht, zwischendurch sind fremde Stimmen in fremden Sprachen zu hören. Sie wechseln auf Kommunikation per E-Mail über. Briefe werden geschrieben, gesendet, empfangen. Innerhalb von Sekunden. Dann bricht auch diese Verbindung zusammen. Sie versuchen es per Mobil. Das funktioniert. Und funktioniert nicht. Halvorsen und Vang kommunizieren abwechselnd mit den unterschiedlichsten Hilfsmitteln.
     
    Und irgendwo draußen unter freiem Himmel, denkt Kommissarin Halvorsen, als Murmansk eine lange Pause macht, befinden sich eine Person und ihre Mauser Kaliber 6,5 mm. Bis auf weiteres auf freiem Fuß, diese Person und die Waffe. Sowie ein Schlüsselbund. Die Technik hat im Laufe vieler Stunden die Wohnung von Live Sagen und die, die verkauft werden soll, geradezu abgesaugt. Ob die Schlüssel nun fehlen oder nicht, sie haben dort nach jeder Art von Spuren gesucht. Nach kleinen Spuren. Nach verräterischen Spuren. Die verraten, dass jemand hereingekommen ist, sich durch die Zimmer geschlichen, ein Fenster, das auf Hinterhof und Haustür von Kommissarin Halvorsen blickt, geöffnet hat, ein paar Schritte zurückgetreten ist und kaltblütig zwei Schuss abgegeben hat. Kaltblütig genug um dann das Fenster zu schließen, ehe diese Person durch die Tür verschwunden ist, sie abgeschlossen hat, die Treppen hinuntergejagt ist, und fort, fort. Niemand hatte diesen Menschen gesehen,

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