Die Containerfrau
durchgezogen hatten. Nach der »Importeure« und »Ware« über die Grenze geschafft worden waren. Und einige der Käufer, Norweger wie Ausländer, aus Trondheim und aus Bergen, auf die Wache geholt worden waren, um ihre Erklärung abzugeben. Es ist ja so schrecklich, Kongresse, Tagungen, Seminare zu besuchen und mit heruntergelassener Hose erwischt zu werden, während die Familie stolz darauf ist, dass Papa zu diesem wichtigen Kongress oder Seminar eingeladen ist.
»Hurenkundendreck«, faucht seine Kollegin plötzlich. »Warum um alles in der Welt müssen Männer ums Verrecken ficken, sowie sie auf eigene Faust unterwegs sind? Auf Kongressen, Seminaren, Jahrestagungen und dem ganzen Wichs, he?« Vang lässt sich nicht zu einer Antwort herab. Diese Diskussion haben sie schon so oft geführt. Niemand wird so unsachlich, sieht alles dermaßen schwarzweiß wie Halvorsen, wenn dieses Thema angeschnitten wird. Er selbst dagegen kennt etliche feine Damen, die sofort zulangen, wenn ihr Mann außer Sichtweite ist. Also komm mir nicht so. So nicht. Er lugt nur düster zu ihr hinüber.
Danach verfolgen sie das Thema nicht weiter. Es bietet sich keine Gelegenheit. Denn jetzt betritt ihr Chef das Zimmer, Hauptkommissar Sundt. Doch das Energiefeld, das den Mann immer umgibt, das Kraftfeld, das entweder eine Inspiration oder ein Fluch ist – abhängig von dem Zustand, in dem seine Umgebung sich befindet –, ist ganz einfach verschwunden.
Er trottet durch die Tür wie ein ganz gewöhnlicher Sterblicher. Das ist geradezu unheimlich. Sein ansonsten zum Himmel strebender Haarkranz liegt flach über seinen Ohren, seine Augenwinkel zeigen nach unten, die Mundwinkel hängen auf die Schultern, der ganze Mann sieht traurig aus, o, wie traurig!
»Lange Nacht, Sundt?«, fragt Anne-kin. Sie bringt es fast nicht über sich, ihn anzusehen. »Danke dafür, dass du mich die Treppe hinuntergezogen hast«, fügt sie leise hinzu. Sundt nickt nur.
»Du warst nicht die Zielscheibe, Halvorsen«, sagt er darauf. »Nicht dieses Mal.« Sieh an, denkt sie glücklich, da hat er doch mitten in seinem Kummer noch einen Hauch von Humor bewahrt.
»Nein«, sagt sie, »das wohl nicht. Das Krankenhaus meldet übrigens, dass die ›Zielscheibe‹ überleben wird.« Sofort erhellt sich Sundts Miene. »Ach ja?«, fragt er. »Das bedeutet …«
»Auf irgendeine Weise«, murmelt Anne-kin. »Sie sagen, dass die Körperfunktionen sich stabilisiert haben, doch das der Teil, der Gehirn genannt wird, nicht so richtig mitmacht.«
»Das ist nur eine Zeitfrage«, wehrt ihr Chef ab. In Gedanken hat er den »Spatz« vermutlich schon verhört und die ganze Geschichte auf einem silbernen Tablett serviert bekommen, hat alle festgenommen, die es nicht besser verdient haben, hat das Gericht von seinem Vorgehen überzeugen können und die Schurken hinter Schloss und Riegel gebracht. Vollständige Aufklärung. Doch dann sieht er plötzlich wieder ganz niedergeschlagen aus. Wendet sich ihnen zu und sagt, dass er und auch Anne-kin und Vang nach Hause gehen und sich ausschlafen sollten. Sie machen schon viel zu lange Überstunden, klammern sich an ihren Hocker an und deuten die Vorschriften nach ihrem Belieben. Neue Leute werden die Sache jetzt übernehmen, stehen schon bereit. Er fragt, ob sie die wichtigsten Dinge behalten haben, die bei der morgendlichen Besprechung zur Sprache gekommen sind. Und zu Papier gebracht worden. Vang und Halvorsen nicken. Sind im Grunde erschöpfter, als sie zugeben mögen. Können keine Einzelheiten mehr erkennen, keine neuen Nuancen erkennen. Und leiden durch ihren übermäßigen Kaffeekonsum an Sodbrennen. Anne-kin begreift, sie werden jetzt zu Bett und Schlaf abkommandiert.
Vang macht den Mund auf, will sicher erzählen, wie toll er in Form ist, dass er noch tagelang weiterschuften und den Schlaf im Winter nachholen kann.
»Auch Superbullen brauchen Schlaf, Vang«, sagt Anne-kin und versetzt ihm einen Rippenstoß. »Wir überlassen Murmansk der nächsten Staffel. Komm jetzt.«
Sundt sollte sich wenigstens eine Runde Büroschlaf gönnen, denkt sie, denn es ist schwer zu sagen, wer von ihnen Dreien am verhärmtesten und erschöpftesten aussieht. Zum Glück hängt in diesem Zimmer kein Spiegel.
Aber als Kommissarin Anne-kin Halvorsen ihr Handy an ihrem Gürtel befestigt, wird ihr Chef sofort aus seiner Müdigkeit gerissen. Und starrt sie, nein, ihr Handy an.
»GSM«, sagt er langsam. »Du hast ein GSM!« Anne-kin schaut ihren Chef verwirrt
Weitere Kostenlose Bücher