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Die Corleones

Die Corleones

Titel: Die Corleones Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Edward; Puzo Falco
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Gericht zu tun oder besuchten Freunde und Verwandte im Gefängnis. Vito hatte noch nie eine Zelle von innen gesehen, und er hatte auch noch nie auf der Anklagebank gesessen. Allerdings war ihm sehr wohl bewusst, dass beides im Rahmen des Möglichen lag. Auf seinem Weg zur Brücke war er die hohen Korridore des Strafgerichts entlanggegangen. Dabei hatte er immer wieder Polizisten und Anwälten in die Augen geblickt, den
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in ihren Nadelstreifenanzügen, elegante Aktentaschen in den Händen. Der Polizist, dem er folgte und der großzügig geschmiert worden war, hielt den Blick meist auf den Boden gerichtet. Er hatte Vito raschen Schrittes an den Schwingtüren des großen Gerichtssaals vorbeigeführt, und Vito hatte einen Blick auf einen Richter in schwarzer Robe erhascht, der auf seinem glänzenden Thron aus Holz saß. Der Gerichtssaal hatte Vito an eine Kirche erinnert und der Richter an einen Priester. Bei dem Anblick war Vito plötzlich maßlos wütend geworden, als wäre der Richter schuld daran, dass es auf der Welt so grausam und unmenschlich zuging, dass Frauen und Kinder ermordet wurden, in Sizilien ebenso wie in Manhattan. Vito hätte nicht in Worte fassen können, warum er so wütend wurde, warum er am liebsten die Schwingtüren des Gerichtssaals aufgestoßen und den Richter von seinem Sitz heruntergezerrt hätte – und wenn ihn jemand beobachtet hätte, hätte er nur gesehen, wie er die Augen schloss und wieder öffnete, wie um kurz auszuruhen, während er am Gerichtssaal vorbei auf die beiden breiten Türen zuschritt, die zur Fußgängerbrücke führten.
    Der Polizist, dem Vito folgte, schien sich etwas zu entspannen, nachdem sie das Gerichtsgebäude verlassen hatten und auf demWeg ins Gefängnis waren. Er zog sein Hemd gerade, nahm die blaue Mütze ab, strich über das Abzeichen an ihrer Stirnseite und setzte sie wieder auf. Diese Abfolge von Gesten erinnerte Vito an jemanden, der gerade mit knapper Not etwas überstanden hatte und noch einmal durchatmete, bevor er sich wieder seinem Alltag zuwandte. »Kalt heute«, sagte der Polizist und deutete auf die Straße hinunter. »Unter null«, erwiderte Vito und hoffte, das Gespräch damit zu beenden. Die Straße war mit rußbeschmutzten Eis- und Schneehaufen übersät, obwohl es in letzter Zeit nicht geschneit hatte. An der Ecke der Franklin Street wartete eine junge Frau; sie hatte den Kopf gesenkt und die behandschuhten Hände vors Gesicht geschlagen, während die Fußgänger weiter an ihr vorbeiströmten. Vito bemerkte sie, kaum dass er auf die Brücke hinausgetreten war. Und er beobachtete sie, während er an einem Fenster nach dem anderen vorbeiging. Als er das letzte Fenster erreichte, stand sie noch immer reglos da, den Kopf in den Händen – und dann betrat Vito die »Tombs« und verlor sie aus dem Blick.
    »Er ist im Keller«, sagte der Polizist. Vor ihnen erstreckte sich ein langer Korridor, der von geschlossenen Türen gesäumt war. »Wir haben ihn aus der Krankenstation holen müssen.«
    Vito machte sich nicht die Mühe zu antworten. Irgendwo am Ende des Korridors brüllte jemand, den sie nicht sehen konnten, wütend herum, und seine Stimme hallte die Wände entlang.
    »Ich heiße Walter«, sagte der Polizist unvermittelt und stieß eine Tür auf, die in ein Treppenhaus führte. »Mein Partner Sasha passt auf ihn auf.« Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Wir können Ihnen nur eine halbe Stunde geben, allerhöchstens.«
    »Mehr brauche ich auch nicht.«
    »Und Sie sind sich darüber im Klaren«, sagte der Polizist und ließ den Blick über Vitos Jackett und den Mantel schweifen, den er über dem Arm trug, »dass ihm nichts passieren darf, während er sich in unserer Obhut befindet?«
    Walter war genauso groß wie Vito, aber einige Jahre jünger und fünfzig Pfund schwerer. Das Hemd spannte ihm über dem Bauch, und seine massigen Oberschenkel zeichneten sich deutlich unterdem blauen Stoff seiner Hose ab. »Ihm wird nichts passieren«, sagte Vito.
    Der Polizist nickte und führte Vito zwei Stockwerke nach unten auf einen fensterlosen Korridor, in dem es abscheulich stank. Vito hob seinen Fedora vors Gesicht und fragte: »Was ist das?«
    »Wenn jemand sich eine Abreibung verdient hat«, erwiderte Walter, »bringen wir ihn hier runter.« Er schaute sich um, während sie weitergingen. »Riecht so, als hätte da jemand rückwärts gefrühstückt.«
    Am Ende des Korridors, hinter einer Ecke, wartete Sasha, den Rücken einer grünen

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