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Die Corleones

Die Corleones

Titel: Die Corleones Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Edward; Puzo Falco
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Tür zugewandt, die Arme vor der Brust verschränkt. Als er Vito bemerkte, öffnete er die Tür und trat beiseite. »Eine halbe Stunde«, sagte er. »Hat Walter Ihnen das erklärt?«
    Durch die offene Tür sah Vito Luca auf einer Krankenhausliege sitzen. Der große Mann hatte sich so sehr verändert, dass Vito erst den Eindruck hatte, er wäre zum Falschen geführt worden. Die rechte Seite seines Gesichts hing leicht herab, als wäre sie einen halben Zentimeter nach unten gezogen worden. Seine Lippen waren geschwollen, und er atmete geräuschvoll durch den Mund ein. Luca schaute mit stumpfem Blick zur Tür herüber. Es schien ihm Mühe zu bereiten, klar zu sehen und zu verstehen, was er sah.
    Als Vito in der Tür zögerte, sagte Sasha: »Er sieht schlimmer aus, als es ihm geht.«
    »Lassen Sie uns bitte alleine«, sagte Vito. »Sie können um die Ecke warten.«
    Sasha warf Walter einen fragenden Blick zu, als wäre er sich nicht sicher, ob das eine gute Idee war.
    »Aber natürlich, Mr. Corleone«, sagte Walter, streckte an seinem Partner vorbei den Arm aus und schloss die Tür.
    »Luca«, sagte Vito nach einer ganzen Weile. Die Bestürzung und Trauer, die in seiner Stimme mitschwangen, überraschten ihn selbst. Das Zimmer roch nach Desinfektionsmittel, und bis auf die Liege und ein paar einfache Stühle war es leer. Es gab kein Fenster, und das Zimmer wurde nur von einer nackten Glühbirne erleuchtet,die von der Decke hing. Vito zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben die Liege.
    »Was … machen Sie … hier, Vito?«, fragte Luca. Er trug einen kurzärmeligen weißen Krankenhauskittel, der ihm zu klein war. Der Saum reichte ihm nicht einmal bis zu den Knien. Nachdem er diese wenigen Worte gesagt hatte, schien er schlucken und sich räuspern zu müssen. Er stotterte, sprach aber deutlich und gab sich Mühe, jedes Wort richtig zu betonen. Während er redete, sah Vito zum ersten Mal eine Andeutung des alten Luca, als lauerte dieser irgendwo hinter dem lädierten Gesicht und den stumpfen Augen.
    »Wie geht es dir?«, fragte Vito.
    Eine Sekunde verstrich, bevor Luca antwortete. »Wie … sehe ich aus?« Es hatte den Anschein, als versuchte er zu lächeln.
    Vito entging die Verzögerung zwischen Frage und Antwort nicht. Er sprach langsam, damit Luca Zeit hatte zu verstehen, was er sagte, und es zu verarbeiten. »Nicht so gut«, erwiderte er.
    Luca rutschte von der Liege herunter und durchquerte das Zimmer, um sich einen Stuhl zu holen. Unter dem Kittel, den er nicht einmal hatte zubinden können und der über seinem breiten Rücken offenstand, war er nackt. Er stellte den Stuhl vor Vito und setzte sich ihm gegenüber. »Wissen Sie … was mir nicht … aus dem Kopf geht?« Wieder machte er eine Pause zwischen den Wörtern, als müsste er erst überlegen, was er als Nächstes sagen wollte. Als Vito den Kopf schüttelte, sagte Luca: »Will O’Rourke.«
    »Warum das?«
    »Ich hasse ihn. Ich will ihn … umbringen.« Einige Sekunden vergingen, und Luca stieß einen Laut aus, den Vito als Lachen interpretierte.
    »Luca«, sagte er. »Ich kann dir helfen. Ich kann dich hier rausholen.«
    Dieses Mal war Lucas Lächeln nicht zu übersehen. »Sind Sie Gott?«
    »Ich bin nicht Gott.« Vito nahm seinen Hut in die Hand, betrachtete ihn nachdenklich und legte ihn dann wieder in seinen Schoß auf seinen Mantel. »Hör mir gut zu, Luca. Ich möchte, dassdu mir vertraust. Ich weiß alles. Ich weiß, was du durchgemacht hast. Ich weiß …«
    »Was … was wissen … Sie, Vito?« Luca beugte sich vor, was ein wenig bedrohlich wirkte. »Ich weiß … wovon Sie reden. Sie wissen … dass ich meinen … Vater umgebracht hab. Jetzt glauben Sie … Sie wissen alles. Aber Sie … Sie wissen … nichts.«
    »Ich weiß sogar eine ganze Menge«, erwiderte Vito. »Ich weiß über deine Mutter Bescheid. Und über deinen Nachbarn, den Lehrer. Wie hieß er noch – Lowry.«
    »Was wissen Sie?« Luca lehnte sich wieder zurück und legte die Hände auf die Knie.
    »Die Polizei hatte dich im Verdacht, Luca, aber sie konnten es nicht beweisen.«
    »Verdacht?«
    »Luca«, sagte Vito, »es ist nicht schwer, die Puzzleteile zusammenzusetzen. Warum sollte dein Vater – ein Sizilianer – versuchen, sein eigenes Kind aus dem Schoß seiner Mutter herauszuschneiden? Das würde er nie und nimmer tun! Und warum hast du diesen Lowry, euren Nachbarn, vom Dach gestoßen, nachdem sie dich aus dem Krankenhaus entlassen hatten? Luca, das ist eine Tragödie,

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