Die Corleones
es über die Teilstreitkräfte der USA zu verfassen: das Heer, die Marineinfanterie, die Marine, die Luftwaffe und die Küstenwache. Fredo Corleone, der sechzehn Monate älter war als Michael und in eine Klasse über ihm ging, rief: »Hey,
stupido
! Seit wann gehört die Küstenwache zu den Streitkräften?«
Michael warf seinem Bruder einen Blick zu. »Schon immer«, sagte er und schaute dann zu Vito.
»Depp!« Fredo gestikulierte mit einer Hand, während er mit der anderen einen seiner Hosenträger umklammert hielt. »Die Küstenwache ist ganz bestimmt
nicht
Teil der Armee.«
»Das ist aber komisch, Fredo.« Michael lehnte sich zurück und wandte seine ganze Aufmerksamkeit dem Bruder zu. »Dann steht in der Broschüre, die ich von der Musterungsstelle bekommen habe, also etwas Falsches.«
Als der ganze Tisch in Gelächter ausbrach, rief Fredo seinem Vater zu: »Hey, Pa! Die Küstenwache gehört nicht zu den Streitkräften, stimmt’s?«
Vito, der am Kopf des Tisches saß, schenkte sich aus einem einfachen Krug Rotwein ein. Das Alkoholverbot bestand noch immer, aber in der Bronx gab es nicht eine einzige italienische Familie, die zu ihrer Sonntagsmahlzeit keinen Wein trank. Nachdem Vitos Glas voll war, schenkte er Sonny ein, der direkt links neben ihm saß. Rechts von ihm stand Carmellas leerer Stuhl.
Tom antwortete an Vitos Stelle. Er legte Fredo den Arm um die Schulter und sagte: »Mikey hat recht. Allerdings hält sich die Küstenwache aus den größeren Konflikten heraus.«
»Siehst du«, sagte Fredo zu Michael.
»Und wenn schon«, erwiderte Michael laut. »Wahrscheinlich schreibe ich mein Referat über den Kongress.«
Vito nickte ihm aufmunternd zu: »Vielleicht wirst du irgendwann selbst dem Kongress angehören.«
Michael lächelte, während Fredo etwas vor sich hin murmelte, dann kamen Carmella und die anderen Frauen herein und stellten zwei große Schüsseln mit Ravioli in Tomatensoße auf den Tisch sowie Platten mit Fleisch und Gemüse. Beim Anblick des Essens redeten alle aufgeregt durcheinander, und während die Frauen ausschöpften, wurde laut gescherzt. Nachdem jeder seine Portion bekommen hatte, hob Vito sein Glas und sagte: »
Salute!
«, woraufhin alle es ihm gleichtaten und sich dann über das Sonntagsmahl hermachten.
Wie immer redete Vito während des Essens nicht viel. Um ihn herum unterhielten sich seine Verwandten und Freunde angeregt, doch er aß langsam, nahm sich Zeit, ließ sich Soße und Pasta, Fleischbällchen und
braciol’
auf der Zunge zergehen und nahm tiefe Schlucke von dem Rotwein, der den weiten Weg aus der Heimat gekommen war, um seinen Sonntagstisch zu schmücken. Ihm gefiel es nicht, wie andere am Tisch, vor allem Sonny, das Essen hinunterschlangen. Vito hatte den Eindruck, dass sie sich mehr auf das konzentrierten, was geredet wurde, als auf die Mahlzeit. Das ärgerte ihn, aber anmerken ließ er sich davon nichts, denn er wusste, dass er es war, der aus der Reihe fiel. Er tat gerne eines nach dem anderen, schenkte allem die nötige Aufmerksamkeit. In vieler Hinsicht unterschied er sich grundlegend von den Menschen, die ihn großgezogen hatten und unter denen er lebte. Das war ihm durchaus bewusst. Wenn es um Sex ging, war er stets äußerst zugeknöpft, während seine Mutter und die meisten anderen Frauen, die er kannte und liebte, mit Begeisterung derbe Zoten rissen. Carmella verstand Vito und achtete darauf, was sie sagte, wenn er in Hörweite war, doch einmal war er an der Küche vorbeigekommen, die voller Frauen gewesen war, und hatte Carmella eine vulgäre Bemerkung über die sexuellen Vorlieben einer anderen Frau machen hören. Das war ihm noch Tage später unangenehm gewesen. Vito war ein zurückhaltender Mensch – seine Landsleute dagegen waren für ihre Direktheit und Emotionalitätbekannt, jedenfalls unter Verwandten und Freunden. Er aß langsam, und während er aß, hörte er aufmerksam zu.
»Vito«, sagte Carmella nach einer Weile. Sie bemühte sich, gelassen zu bleiben, konnte sich ein Lächeln jedoch nicht verkneifen. »Gab es da nicht etwas, das du uns sagen wolltest?«
Vito berührte die Hand seiner Frau und ließ den Blick über den Tisch schweifen. Die Gattos und Mancinis und Abbandandos sahen ihn neugierig an, ebenso seine Familie, seine Söhne Sonny und Tom, Michael und Fredo. Selbst Connie, die am anderen Ende des Tisches neben ihrer Freundin Lucy saß, musterte ihn erwartungsvoll.
»Liebe Familie, liebe Freunde«, sagte Vito und machte mit
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