Die Corleones
Versehen getroffen hatte – aber Sonny kümmerte sich mitten in dem Gedränge um Vito.
Cork rief nach Vinnie und Angelo. Er streckte den Kopf aus seinem Versteck und winkte, sie sollten zu ihm kommen. Die Zwillinge wandten sich von den Donnellys ab und schauten unsicher zu ihm herüber. Sie schienen sich zu streiten, dann sprang Vinnie auf und stürzte zum Gehsteig – und kaum stand er aufrecht, wurde er an Hals und Stirn getroffen, und sein Kopf verwandelte sich in eine Wolke aus Blut. Er taumelte noch einen Schritt weiter und schlug dann lang hin, wie ein Gebäude, das implodiert. Cork blickte von Vinnie zu Angelo, der seinen Bruder entsetzt anstarrte. Auf der Straße hinter Cork hievte Luca Brasi sich Vito auf die Schulter und trug ihn in Sicherheit, während Vito die Hände nach seiner Familie ausstreckte, die noch immer auf dem Boden kauerte. Dann schien allen gleichzeitig bewusst zu werden, dass Gibson und die Donnellys sie nicht mehr unter Beschuss nahmen und dass die Ladengeschäfte und Hauseingänge, in denen sie Deckung gesucht hatten, leer waren. Als JoJo, Vinnie und Paulie begriffen, dass ihre Gegner flüchteten, jagten sie ihnen nach, und einen Moment lang herrschte erneut Ruhe auf der Straße. Richie Gatto, Tony Coli und Vinnie Romero lagen tot auf dem Pflaster, Pete Murray, Stevie Dwyer und Sean O’Rourke ebenso. Cork ließ den Blick über die leblosen Körper schweifen und entdeckte noch weitere Leichen, Zuschauer vermutlich, Leute, die von der Arbeit gekommen oder Besorgungen gemacht hatten und nun beides nie wieder tun würden. Mittendrin lag die Leiche eines Kindes – ein dunkelhaariger Junge, etwa im gleichen Alter wie Caitlin.
Plötzlich schien sich alle Aufmerksamkeit auf das Kind zu richten. Cork hatte den Eindruck, dass alle den kleinen Leichnam anstarrten, der, mit einem Arm im Rinnstein, auf dem Gehsteig lag. Noch immer riefen Männer laut hin und her, in erster Linie die Polizisten, die überall herumschwärmten, aber auf der Straße schien es auf einmal still zu sein. Cork drehte sich um und blickte in den Laden, vor dem er stand, ein Bekleidungsgeschäft für Frauen. Ein Dutzend Menschen kauerte in den Ecken und hatte sich hinter Türen und Tresen versteckt. Nach und nach standen sie jetzt auf und kamen auf ihn und das zerbrochene Fenster zu, um sich das Durcheinander anzuschauen. Als Cork sich wieder der Straße zuwandte, sah er, dass sich die Bullen über die ganze Straße verteilten, Befehle bellten und jeden festnahmen, dessen sie habhaft werden konnten. Sonny, die Arme hinter dem Rücken in Handschellen, erwiderte Corks Blick, genauso wie Angelo, der von zwei stämmigen Polizisten festgehalten wurde. Als zwei Uniformen sich dem Laden näherten, mischte sich Cork unter die Menge, eilte ins Hinterzimmer und gelangte durch einen Ausgang auf eine Gasse hinaus. Eine ganze Weile stand er zwischen den Mülleimern und anderem Gerümpel. Doch ihm wollte nichts einfallen, was er hier noch hätte tun sollen, und so machte er sich auf den Weg zurück in das Kaufhaus und die unterirdischen Tunnel, durch die er zu seinem Wagen gelangen würde.
24.
Vito schaute aus dem Fenster seines Arbeitszimmers zu, wie die letzten Reporter – fette Männer in billigen Anzügen mit dem Presseausweis im Hutband – in einen alten Buick einstiegen und langsam über die Hughes Avenue davonfuhren. Unten im Flur plauderten drei Ermittler vom NYPD mit Hubbell und Mitzner, zwei hochkarätigen Anwälten, die für ihn arbeiteten. In den letzten Stunden hatte es in seinem Zuhause von Polizisten und Anwälten nur so gewimmelt, während draußen auf der Straße eine Horde von Journalisten von Nachrichtenagenturen und Radiosendern jeden bedrängte, der in ihre Nähe kam, die Nachbarn eingeschlossen. Jetzt wartete Vito, allein in seinem abgedunkelten Arbeitszimmer und den Arm in der Schlinge, dass die letzten Fremden gingen. Er stand unbemerkt am Fenster, während der Abend sich herabsenkte. Seine Männer im Erdgeschoss warteten ebenfalls. Sie waren in der Küche, wo Clemenza für alle Spaghetti mit Fleischklößchen gekocht hatte, während Carmella zwischen den Zimmern der Kinder hin- und hereilte, um ihnen Trost zuzusprechen. Vito strich sich wieder und wieder mit der unverletzten Hand durchs Haar, wobei er manchmal die Straße beobachtete und dann wieder sein Spiegelbild in der dunklen Fensterscheibe. Seine Gedanken kehrten zur Parade zurück und zur Polizei und zum Krankenhaus, zu seinen Kindern, die auf der
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