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Die Corleones

Die Corleones

Titel: Die Corleones Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Edward; Puzo Falco
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Straße gelegen hatten, während es Kugeln hagelte, zu Santino, der neben ihm gestanden und um sich geschossen hatte, und immer wieder zu dem Augenblick, als er das tote Kind auf dem Gehsteig entdeckt hatte – das tote Kind, dessen Blut über den Bordstein rann und auf der Straße eine Lache bildete.
    Für den kleinen Jungen konnte er nichts mehr tun. Er würde einen Weg finden, der Familie zu helfen, aber er wusste, dass das sinnlos war, denn wie hätte er ungeschehen machen können, was vorgefallen war, und eben weil er die Grenzen des Möglichen erfasste, wusste er, dass er nicht länger über das Kind nachdenken durfte – aber einstweilen stand ihm das Bild noch allzu deutlichvor Augen. Der tote Junge auf dem Gehsteig, das Blut, das auf die Straße rann. Er musste daran denken, wie Richie Gatto in seine Arme gesunken war, und erneut durchlitt er die Demütigungen, als ihm Handschellen angelegt und er in den Gefangenenwagen gezerrt worden war, anstatt diekt ins Krankenhaus gebracht zu werden. Eine Kugel hatte ihn in der Schulter getroffen. Ihm war gesagt worden, Santinos Freund, der junge Bobby Corcoran hätte auf ihn geschossen, aber gesehen hatte er das nicht. Ihm war jedoch nicht entgangen, mit welcher Verachtung die Polizisten, die ihn abführten, ihn angeschaut hatten, als hätten sie es mit einem unzivilisierten Wilden zu tun. Zu einem der Polizisten hatte er gesagt: »Ich habe mit meiner Familie an der Parade teilgenommen«, als müsste er sich entschuldigen, dann war ihm das Blut ins Gesicht gestiegen – wie kam er dazu, sich gegenüber irgendeinem dahergelaufenen
buffóne
zu rechtfertigen? Er hatte geschwiegen und die Zähne zusammengebissen, bis Mitzner aufgetaucht war und ihn ins Columbia Presbyterian gebracht hatte, wo sie die Kugel herausgeholt, ihm die Brust verbunden und den Arm in eine Schlinge gelegt hatten. Dann hatten sie ihn nach Hause geschickt, wo Reporter ihn bestürmten, bevor er in sein Haus und die Stille seines Arbeitszimmers flüchten konnte.
    Verwundert betrachtete er den Fremden, der ihn aus seinem Spiegelbild anstarrte: ein Mann mittleren Alters mit abstehendem Haar und offenem Hemd. Er glättete seine Frisur, so gut es ging, und knöpfte das Hemd zu. Seine eigenen Kinder, dachte er, seine eigenen Kinder auf der Straße inmitten einer Schießerei. Seine Frau auf dem Pflaster, vezweifelt darum bemüht, ihre Kinder vor den Männern mit den Pistolen zu beschützen. »
Infamitá «
, flüsterte er, und das Wort hallte lange in seinem Arbeitszimmer nach. »
Infamitá
«, sagte er noch einmal, und erst als er spürte, wie sein Herz raste und ihm das Blut in den Kopf schoss, schloss er die Augen und atmete tief durch, bis er wieder zu seiner gewohnten inneren Ruhe gefunden hatte. Er sprach es nicht aus. Er dachte es nicht einmal. Aber er wusste mit jeder Faser seines Körpers: Er würde tun, was getan werden musste. Er würde alles tun, was in seinenMöglichkeiten lag. Und er würde darauf vertrauen, dass Gott verstand, was die Menschen zu tun gezwungen waren, für sich selbst und für ihre Familien, auf der Welt, die Er geschaffen hatte.
    Als Clemenza zweimal an der Tür klopfte und das Arbeitszimmer betrat, war Vito wieder ganz er selbst. Er machte die Lampe an und nahm hinter seinem Schreibtisch Platz, während Sonny, Tessio und Genco hereinkamen und sich ebenso wie Clemenza Stühle heranzogen. Vito sah auf den ersten Blick, dass Genco und Tessio zutiefst erschüttert waren. Clemenza dagegen wirkte, nach einem Massker, bei dem ein Kind und drei seiner Männer ihr Leben gelassen hatten, nicht anders als nach einem sonntäglichen Abendessen unter Freunden. Tessios und Gencos Gesichtern war ihre Anspannung und Bestürzung jedoch deutlich anzusehen. Santino wiederum wirkte nicht nur zornig, sondern ungewöhnlich ernsthaft, und Vito fragte sich, ob er nicht eher Clemenzas Sohn war als der seine. »Sind alle fort?«, fragte er. »Die Polizisten und Reporter.«
    »Eine Meute Schakale«, erwiderte Clemenza, »alle miteinander.« Er versuchte einen roten Soßenfleck auf seiner Krawatte zu entfernen. »Die können von mir aus alle zur Hölle fahren.«
    »Das ist die größte Story seit der Lindbergh-Entführung«, sagte Genco. »Der tote Junge …« Er presste die Hände aneinander, als wollte er beten. »Es steht in allen Zeitungen, und im Radio berichten sie auch darüber. Am Freitag wird
The March of Time
etwas darüber bringen, habe ich gehört.
Madre ’Dio!
«
    Vito stand auf, legte Genco

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