Die Corleones
eine Hand auf den Rücken und dann tätschelte er ihm die Schulter, bevor er das Zimmer durchquerte und sich auf die Fensterbank setzte. »Wie viele wurden getötet?«, fragte er Genco, »außer unseren Männern und den Iren?«
»Vier, den Jungen eingeschlossen«, erwiderte Sonny an Gencos Stelle. »Und ein Dutzend Verletzte. Das steht jedenfalls im
Mirror
.«
»LaGuardia hat im Radio wieder seinen Unfug zum besten gegeben, von wegen jetzt müsse durchgegriffen werden.« Clemenza rieb mit dem Finger über den Soßenfleck auf seiner Krawatte, und dann, als wäre der Fleck schlimmer als das, was siegerade erfahren hatten, löste er den Knoten und steckte sich die Krawatte in die Jacketttasche.
Zu Genco sagte Vito: »Für das Kind und seine Familie finden wir Mittel und Wege, in aller Stille mit Geld und Verbindungen auszuhelfen, soweit das möglich ist. Für die Familien der anderen Toten genauso.«
»
Sì «
, entgegnete Genco. »Für die Familien wird bereits gesammelt. Wir können großzügig sein und gleichzeitig anonym bleiben.«
»Gut«, sagte Vito. »Und was alles andere betrifft …« In dem Moment wurde er von einem leisen Klopfen an der Tür unterbrochen.
»Was ist denn?«, brüllte Sonny, und Vito wandte den Blick ab und schaute zum Fenster hinaus.
Jimmy Mancini betrat das Arbeitszimmer, schien aber nicht zu wissen, was er sagen sollte. Er war ein großer Mann Mitte dreißig, wirkte jedoch älter. Er hatte muskulöse Arme, und seine Haut schien sogar mitten im Winter tief gebräunt. »Emilio Barzini«, sagte er schließlich.
»Was ist mit ihm?«, bellte Clemenza. Jimmy gehörte zu seinen Leuten, und ihm gefiel nicht, dass er hier herumstotterte.
»Er ist hier«, sagte Jimmy. »Unten vor der Tür.«
»Barzini?« Tessio legte sich die Hand aufs Herz, als hätte er dort Schmerzen.
Sonny flüsterte seinem Vater zu: »Den Hurensohn sollten wir auf der Stelle umnieten!«
»Er ist alleine gekommen«, sagte Jimmy. »Ich hab ihn gründlich durchsucht. Er ist unbewaffnet und ungewöhnlich kleinlaut. Ich soll ausrichten, dass er Don Corleone mit größter Hochachtung um eine Audienz bittet.«
Alle sahen Vito an, der sich übers Kinn strich und dann nickte. »Bring ihn hoch. Und behandel ihn mit Respekt.«
»
V’fancul’!
« Sonny sprang halb von seinem Stuhl auf und beugte sich zu Vito hinüber. »Er hat versucht, Genco und Clemenza umzubringen!«
»Es geht hier ums Geschäft«, sagte Tessio zu Sonny. »Setz dich und hör gut zu.«
Nachdem Jimmy hinausgegangen war und die Tür hinter sich geschlossen hatte, sagte Sonny: »Lass mich ihn noch mal durchsuchen. Dies ist unser Zuhause, Pa.«
»Und genau deshalb ist das auch nicht nötig.« Vito setzte sich wieder hinter seinen Schreibtisch.
»Sonny, in unserem Geschäft gibt es Dinge, die verstehen sich von selbst«, erklärte Clemenza. »Ein Mann wie Emilio würde nie mit Mordgedanken zu uns kommen.«
Vito stieß einen Laut aus, der fast wie ein Knurren klang. Für ihn war das so ungewöhnlich, dass sich ihm alle zuwandten.
Als Vito nichts sagte, brach Tessio das Schweigen. »Vertrauen ist gut«, sagte er und zitierte eine alte sizilianische Redensart. »Misstrauen ist besser.«
Clemenza lächelte. »Also gut. Dann sagen wir einfach, dass ich darauf vertraue, dass Jimmy ihn durchsucht hat.«
Mancini klopfte erneut und machte die Tür auf. Als Emilio hereinkam, blieben alle Männer demonstrativ sitzen. In der einen Hand hielt er seinen Hut, die andere ließ er herabhängen. Seine dunklen Haare waren sorgfältig über die Stirn gekämmt. Er verströmte einen Hauch Kölnisch Wasser, fast duftete er nach Blumen. »Don Corleone«, sagte er und trat vor Vitos Scheibtisch. Die Männer hatten die Stühle verrückt, so dass jetzt jeweils zwei von ihnen rechts und links vor Vito saßen. Sie bildeten ein Publikum mit Vito auf der Bühne und Emilio im Gang zwischen den Sitzplätzen. »Ich bin gekommen, um mit Ihnen über das Geschäft zu reden«, sagte er, »aber zuerst möchte ich Ihnen mein Beileid aussprechen für die Männer, die Sie heute verloren haben, vor allem für Richie Gatto, der Ihnen, wie ich weiß, sehr nahestand und den auch ich seit vielen Jahren gekannt und respektiert habe.«
»Sie sprechen uns Ihr Beileid aus?«, bellte Sonny. »Was glauben Sie denn? Halten Sie uns jetzt für schwach?«
Sonny hätte wahrscheinlich noch mehr gesagt, aber Clemenza legte ihm eine schwere Hand auf die Schulter und drückte zu.
Emilio streifte Sonny nicht
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