Die Creeds: Wenn ein Herz nach Hause kommt (German Edition)
lachen und schaltete einen Gang runter, unmittelbar bevor der alte Truck über eine Schwelle in der Fahrbahn holperte. Er versuchte sich daran zu erinnern, wann er das letzte Mal so hoffnungsvoll in die Zukunft geblickt hatte. Seit dem Tod von Zack und Jillie … nein, wenn er sich selbst gegenüber ehrlich war, dann reichte es noch weiter zurück, dass er sich ganz darauf konzentriert hatte, einen Fuß vor den anderen zu setzen und logische Entscheidungen Schritt für Schritt zu treffen, ganz gleich wie unbedeutend oder weitreichend diese gewesen waren.
Was war heute so anders als sonst?
Es war nicht nur die Ranch, das konnte er sich insgeheim eingestehen, auch wenn er es nicht laut aussprechen wollte. Heute war er Melissa O’Ballivan begegnet, und er wusste, das konnte eine der besten oder eine der schlechtesten Erfahrungen seines Lebens werden. Cindy verdankte er, dass die Chancen für Letzteres deutlich besser standen.
„Ich hab sie sehr gemocht“, sagte Matt plötzlich, während sie auf dem Feldweg weiterfuhren und eine Wolke aus rotem Arizona-Staub hinter sich herzogen.
„Wen?“, fragte Steven, obwohl er die Antwort bereits kannte.
„Die Lady von der Parade“, antwortete Matt, wobei sein Tonfall etwas übertrieben nachsichtig klang. „Miss O… Miss O…“
„O’Ballivan“, half Steven seinem kleinen Schützling auf die Sprünge. Es war nicht so, dass sie ihm etwas bedeutete, er hatte nur schon immer ein Faible für Namen gehabt, weshalb er sie sich auch so leicht merken konnte. Das war alles.
„Ist sie die Mommy von irgendwem?“, wollte Matt wissen.
Kaum dachte er, dass er die Sache mit dem alleinerziehenden Vater im Griff hatte, kam der Junge mit etwas völlig Unerwartetem daher. „Ich weiß nicht, Tex“, entgegnete er. „Warum fragst du?“
„Ich mag sie“, erklärte Matt. Das war alles.
Ich mag sie.
„Ich mag es, wie sie lächelt und wie sie riecht.“
Ich auch, dachte Steven. Laut sagte er: „Sie scheint ganz nett zu sein.“
Aber das hatte für seine Freundin und Verlobte eine Zeit lang ebenfalls gegolten. Cindy hatte das Gesicht und den Körper eines Engels gehabt, und sie war die Freundlichkeit in Person gewesen – bis Zack starb und Steven ihr eröffnete, dass er Matt dauerhaft zu sich nehmen würde. In dem Moment war er davon überzeugt gewesen, dass sie einverstanden sein würde, ihn zu heiraten. Geplant hatten sie eine Hochzeit ohnehin schon lange, nur nie einen festen Termin ausgemacht.
Nie würde er ihren zornigen Blick vergessen, auch nicht die Art, wie sie den Mund verzog, und erst recht nicht, was sie zu ihm gesagt hatte.
„Ein Kind kommt für mich nicht infrage“, hatte sie in frostigem Tonfall erklärt. „Du hast die Wahl: der Junge oder ich.“
Verblüfft über ihre Reaktion – sie hatte so getan, als wäre nie vom Testament seiner besten Freunde die Rede gewesen – und von kalter Wut erfasst hatte er seine Entscheidung ohne zu zögern getroffen. „Dann fällt meine Wahl auf Matt.“
Cindy war sofort aus der Wohnung gestürmt, die Tür war hinter ihr zugeflogen, und dann hatte er gehört, wie sie in ihren teuren Wagen einstieg und mit durchdrehenden Reifen aus der Zufahrt zum Haus raste. Als sie wenig später über mehrere Etappen verteilt ihre Sache abholte, sprach sie allerdings davon, dass sie sich das alles noch mal durch den Kopf habe gehen lassen und bedaure, dass sie so ausgerastet sei. Hatte es da noch eine Chance für einen zweiten Anlauf gegeben?
Steven wünschte, es wäre so, doch zu dem Zeitpunkt war es längst zu spät gewesen. Sie war einen Schritt zu weit gegangen, und das
konnte
er nicht verzeihen, selbst wenn er es gewollt hätte.
„Wenn sie nicht die Mommy von irgendwem ist, dann will sie ja vielleicht meine Mommy werden“, überlegte Matt.
Tränen brannten Steven in den Augen, während er darüber nachdachte, was er darauf erwidern sollte.
„Und
sie macht eine Parade“, freute sich der Junge.
Als sie die Ruine erreichten, die einmal die Scheune gewesen war, hielt Steven den Wagen an und stellte den Motor ab. Links von ihnen war das Ranchhaus zu sehen, das wie ein freundlicher Geist wirkte, der auf Gnade hoffte.
Sie hatten eine Campingausrüstung mitgebracht, und der Stromanschluss war bereits wieder aktiviert. Der von Steven vorab beauftragte Klempner hatte ihn wissen lassen, dass die Pumpe im Brunnen ordentlich arbeite, sodass sie auch Wasser hatten.
Kaltes
Wasser, aber wichtig war, dass es überhaupt Wasser gab.
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