Die Creeds: Wo die Hoffnung lebt
verwandelten.
Sie war Carolyn Simmons, eine gewöhnliche Frau. Das sollte sie lieber nicht vergessen.
Aber Tricia gab so schnell nicht auf. „Probier ihn wenigstens mal an“, sagte sie und streckte sich seufzend, um den Druck in ihrem Kreuz zu lindern. „Ich wette, dieses Kind bereitet sich aufs Vortanzen für Riverdance vor. So wie er mich tritt, kommt er wohl mit Stepptanzschuhen auf die Welt.“
Da Tricia und Conner nie ein Wörtchen über das Geschlecht des Kindes verraten hatten, war nun der Moment gekommen, auf den Carolyn gewartet hatte.
„Aha!“, jubelte sie und vergaß den Rock und seinen Zauber über diesem noch viel größeren Wunder. „Du bekommst einen Jungen!“
„Nichts verraten“, bat Tricia verschwörerisch und legte einen Finger auf ihre Lippen. „Außer dem Arzt wissen es nur Conner und ich.“
„Was soll die Geheimniskrämerei?“, fragte Carolyn.
Wieder seufzte Tricia, aber leise und mit zufriedener Miene. „Wir wollen eigentlich gar kein Geheimnis daraus machen. Aber … na ja, wir sind beide ein bisschen altmodisch, was das Kinderkriegen betrifft. Vor gar nicht so langer Zeit wusste niemand vor der Geburt, ob ein Junge oder ein Mädchen zu erwarten war. Heutzutage richtet man schon lange vor dem Geburtstermin das Kinderzimmer in Rosa oder Hellblau ein und sucht den Namen aus. Ich hätte mich lieber überraschen lassen, und Conner denkt genauso.“
Carolyn musterte ihre Freundin. „Du bist doch nicht abergläubisch, oder? Eine von denen, die glauben, es bringt Unglück, wenn man Sachen für ein Baby kauft, bevor es auf der Welt ist? Weil etwas schiefgehen könnte?“
Tricia lächelte. „Nein. Bei diesem Baby kann nichts schiefgehen.Es keilt aus wie ein Maultier.“
Carolyn erwiderte ihr Lächeln voller Erleichterung. „Vermutlich willst du mir nicht verraten, wie ihr den kleinen Mr Creed nennen wollt, auch wenn die Katze jetzt sozusagen aus dem Sack ist?“
„Davis Blue“, antwortete Tricia bereitwillig. „Wir werden ihn vermutlich Blue rufen.“
„Blue?“, fragte Carolyn. Den Namen „Davis“ musste ihr niemand zu erklären, aber – Blue?
„Nach Conners und Brodys Vater. Davis’ älterem Bruder. Es heißt, der Himmel wäre unglaublich blau gewesen, als Blue geboren wurde – deshalb der Name.“
„Das gefällt mir“, murmelte Carolyn versonnen, und für einen flüchtigen Moment gestattete sie sich die Frage, wie sie und Brody ein Kind wohl nennen würden.
„Mir auch“, pflichtete Tricia ihr bei. „Und wag es nicht, es jemandem zu verraten. Davis und Kim wissen es nicht und Brody auch nicht. Das Geschlecht und der Name unseres Kindes sollen eine Überraschung sein.“
Carolyn deutete an, sich den Mund mit einem Reißverschluss zu versiegeln. Dann lachte sie aus heller Freude über das Glück ihrer Freundin und nahm Tricia kurz in den Arm.
„Und jetzt“, sagte Tricia mit einem leisen Schniefen als Reaktion auf die freundschaftliche Geste, „zurück zum Zigeunerrock. Probier ihn an. Ich möchte sehen, wie er an einer Frau aussieht, und ich selbst bin weiß Gott nicht in der Lage, Haute Couture vorzuführen.“
„Tricia!“
„Es ist das Mindeste, was du tun kannst, nachdem ich dir mein großes Geheimnis verraten habe.“
„Na gut“, seufzte Carolyn ergeben, nahm den Bügel mit dem Rock vom Haken und war schon auf dem Weg ins Bad. „Aber ich sage es dir gleich, mit einem T-Shirt sieht er bestimmt geradezu bescheuert aus.“
Tricia ging zur Kommode, öffnete eine Schublade, entnahm ihr ein dünnes schwarzes Hemdchen mit Spaghettiträgern und wedelte damit in Carolyns Richtung. „Zieh das hier an“, sagte sie.
Zögernd nahm Carolyn das Hemdchen entgegen. Sie hatte es vor langer Zeit einmal zu einer durchsichtigen Bluse getragen und danach als unpraktisch aussortiert. „Ich weiß nicht“, meinte sie. „Es ist ziemlich knapp …“
„Wir sind unter uns“, erinnerte Tricia sie in singendem Ton und scheuchte Carolyn ins Bad. „Und nun geh schon.“
Brody stand im ersten Schatten der Abenddämmerung vor Carolyns Küchentür und versuchte sich zu erinnern, wann er das letzte Mal so viel Aufhebens um eine schlichte Verabredung gemacht hatte.
Seit dem Highschool-Abschlussball nicht mehr, entschied er und hakte einen Finger unter den Kragen seines gestärkten weißen Hemds, obwohl die obersten drei Knöpfe bereits geöffnet waren. Kim hatte ihn und Conner an jenem Abend gezwungen, einen Anzug zu tragen, und Brody hatte sein Mädchen –
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