Die Creeds: Wo die Hoffnung lebt
Becky? Betsy? Babs? – mit der kleinen Nadel mit Perlenkopf gepikst, als er umständlich versuchte, ihr das Sträußchen anzustecken. Er und Conner, dazu zwei von ihren Freunden und alle vier Mädchen hatten sich in den Fond einer gemieteten Limousine gezwängt und waren sich Gott weiß wie toll vorgekommen.
Er lächelte über die Erinnerung.
Dann fiel ihm ein, dass er noch nicht geklopft hatte.
Er schlug mit den Fingerknöcheln leicht gegen den Türrahmen. Durch die ovale Milchglasscheibe in der Tür sah er Carolyn näher kommen, und noch bevor sie die Tür öffnete, klopfte ihm das Herz bis zum Halse und schwoll mindestens auf dreifache Größe an.
Das helle Haar fiel ihr glänzend auf die Schultern, so seidig,dass er am liebsten mit den Fingern hindurchgefahren wäre, und ihr perfektes Dekolleté bildete ein verlockendes V über der schwarzen Seide ihres Tops.
Gleich nach ihrem Gesicht aber – ihrem schüchternen, hübschen, leicht geröteten Gesicht – war es der Rock, den er bis zum Ende seiner Tage in Erinnerung behalten würde.
Er sah aus, als bestünde er aus Hunderten von Bändern, Schleifen und Perlen, und er umgab Carolyns Gestalt wie eine glitzernde Wolke, changierend wie das Glas in einem Kaleidoskop.
„Wow“, sagte er. Er hatte keine Blumen mitgebracht, doch jetzt wünschte er sich, er hätte welche besorgt. Außerdem wünschte er, auf der Straße würde eine sechsspännige Kutsche warten statt des Wagens, den er sich von Davis und Kim geliehen hatte.
Carolyns Wangen waren rosig. Ohne den Blick zu senken – eine Kunst, die er seit seiner Pubertät perfektioniert hatte –, bemerkte er, dass ihre Brustwarzen unter dem schwarzen Top ansatzweise zu erkennen waren.
„Selber wow“, sagte sie, nachdem sie ihn kokett von Kopf bis Fuß gemustert hatte. Dann verlor sich das bisschen Wagemut, das sie zusammengekratzt hatte, und sie wurde wieder rot. „Findest … findest du mich overdressed? Es war Tricias Idee, dass ich den Rock anziehe. Sie hat mir so in den Ohren gelegen …“
Brody legte ihr federleicht den Zeigefinger auf die Lippen – auf die Lippen, die er später am Abend zu küssen gedachte, und zwar ausgiebig. „Es ist perfekt“, sagte er. „ Du bist perfekt.“
Ihr Abendtäschchen lag schon bereit, eine schmale kleine Umschlagtasche, die sie sich unter den Arm klemmte. Offenbar hatte sie keine Zahnbürste und auch keine Garderobe zum Wechseln für den folgenden Morgen eingepackt.
Brody bemühte sich, diesen Umstand nicht als Omen zu betrachten.
„Danke“, sagte sie mit so großer Verspätung, dass Brody einen Moment überlegen musste, wofür sie sich bei ihm bedankte.
Ach ja. Weil er gesagt hatte, sie wäre perfekt. Nun, das war doch wirklich nicht so abwegig, oder?
Sie war perfekt.
Er nahm ihren Arm, als sie die Außentreppe hinunterstiegen. Bei jeder ihrer Bewegungen wisperte der Rock wie sichtbar gewordene Poesie.
Dieses Mal bemerkte sie seinen Blick, blieb am Fuß der Treppe stehen und sah ihm ins Gesicht. „Bist du sicher , dass ich nicht overdressed bin?“, wollte sie wissen.
Er lachte leise. „In meinen Augen, Lady, bist du jedes Mal, wenn du mehr trägst als nackte Haut, overdressed.“
Darüber musste sie lachen, wenn auch ein wenig nervös.
In Bezug auf Blumen habe ich vielleicht versagt, dachte Brody, aber was das Auto betrifft, habe ich richtig entschieden. In diesem Rock hätte Carolyn Probleme beim Einsteigen in seinen Pick-up bekommen. Er öffnete ihr die Beifahrertür und wartete, bis sie sich mitsamt ihrem bemerkenswerten Rock im Sitz eingerichtet hatte. Als er hinters Steuer glitt, hatte sie sich bereits angeschnallt.
Brody trug sein bestes Hemd und seine besten Jeans, dazu ein Paar Stiefel, das mehr gekostet hatte als sein erstes Auto. Doch jetzt fragte er sich, ob er nicht derjenige war, der sich Gedanken über seine Kleidung machen musste. War er underdressed ?
Carolyn saß steif auf ihrem Platz, das schmale Täschchen auf dem Schoß, den Blick starr geradeaus gerichtet. Mit einem flüchtigen Seitenblick bemerkte Brody den Pulsschlag an ihrem Hals.
Offenbar war er nicht der Einzige, der nervös war.
Diese Erkenntnis beruhigte ihn ein wenig.
Was seichte Unterhaltung betraf, nun, wenn Carolyn keineLust hatte zu reden, sollte es ihm recht sein. Er war glücklich, sie immerhin neben sich im Auto zu haben.
Sie fuhren durch die Stadt, und er meinte, einen kleinen erleichterten Seufzer zu hören, als sie ohne anzuhalten am Birdcage Café
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