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Die Creeds: Wo die Hoffnung lebt

Die Creeds: Wo die Hoffnung lebt

Titel: Die Creeds: Wo die Hoffnung lebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Lael Miller
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er.
    Carolyn atmete schwer, kam zu sich und fühlte sich noch erbärmlicher und beschämter als zuvor. Mit dem Daumen wischte Brody ihr eine Träne von der Wange; bis dahin hatte Carolyn nicht einmal gemerkt, dass sie weinte.
    „Schsch“, machte er leise und zog sie an sich.
    Anfangs wehrte sie sich, doch dann klammerte sie sich an ihn. Sie barg ihr tränennasses Gesicht an seinem ehemals weißen Hemd, beschmierte es mit Grundierung, Wimperntusche und Lippenstift, und ihr Schniefen ging in Schluchzen über.
    Und Brody hielt sie fest. „Entschuldige“, sagte er leise, und sein Atem streifte ihr Ohr. „Carolyn, es tut mir so leid …“
    Carolyn, es tut mir so leid. Die Worte, geäußert von verschiedenen Stimmen, hallten durch ihr Bewusstsein.
    Ihre Mutter: Carolyn, es tut mir so leid, aber ich kann mich einfach nicht mehr um dich kümmern …
    Eine Sozialarbeiterin nach der anderen: Carolyn, es tut mir so leid, aber die Wilsons/die Jeffersons/die Crosbys sind der Meinung, eine andere Pflegefamilie wäre besser für dich …
    Und Gifford Welsh: Carolyn, es tut mir so leid. Ich dachte, du empfindest das Gleiche für mich wie ich für dich …
    „Ich hatte nichts zu schaffen mit Gifford Welsh“, sagte sie jetzt. Ihre Stimme und ihr Atem waren so holprig wie der Boden unter ihren Füßen. „Ich war das Kindermädchen. Ich habe mich um seine Tochter Storm gekümmert. Ich habe dieses Kind geliebt, und ich musste sie alleinlassen, weil er mir zu nahe getreten ist, als seine Frau nicht zu Hause war, und … und …“
    „Carolyn.“ Brody nahm sie bei den Schultern und legte sein Kinn auf ihren Kopf. „Ganz ruhig. Ist ja gut. Alles ist gut.“
    Doch da überrollte sie eine neue Welle des Zorns, und sie stieß ihn von sich. „Ich fasse es nicht, dass ich dir noch einmal vertraut habe nach dem, was du mir angetan hast. Was siehst du in mir, Brody? Nichts als eine weitere Kerbe in deinem Bettpfosten? Nur, damit du es weißt, Cowboy – ich bin ein Mensch , ich habe Gefühle!“
    Brody sagte ihren Namen nicht noch einmal. Er sagte überhaupt nichts, sondern sah sie nur an, ließ die Arme schlaff hängen, und hinter ihm lief in riesigen Bildern der verdammte Film wie eine Hollywoodversion der Wiederkunft des Herrn. Aus dem Lautsprecher, der hinter ihnen nach und nach den Geist aufgab, ertönten gelegentlich Dialogfetzen und Musik.
    Carolyn betrachtete das alles aus der Distanz, unbeteiligt, und dachte im Stillen, dass Brody mittlerweile wohl damit rechnete, dass ihr Kopf sich auf den Schultern zu drehen begann oder Ähnliches.
    „Ich möchte nach Hause“, sagte sie mit hart erkämpfterWürde nach einigen Minuten peinlichen Schweigens.
    „Okay“, antwortete Brody mit rauer Stimme. „Fahren wir.“
    Er ergriff ihren Arm, führte sie zurück zum Auto und half ihr in den Beifahrersitz. Die ganze Zeit über sprach er kein Wort. Er stieg an seiner Seite ein, kurbelte das Fenster herab, zog den Lautsprecherstecker und warf ihn mit einer heftigen Bewegung hinaus. Dann startete er den Motor. Sie fuhren los, ohne das Licht in der Snackbar zu löschen, und überließen den Film einem Geisterpublikum.
    Das Popcorn ergoss sich auf den Rücksitz, als sie über eine Bodenwelle fuhren, und Carolyn blickte an dem Zigeunerrock herab.
    Er war natürlich ruiniert.
    Eine Metapher für den Abend.
    Eine Metapher für ihr Leben .
    So viel zu Cinderella. Brody würde in absehbarer Zeit nicht zu ihr kommen, um ihr einen gläsernen Schuh über den zierlichen kleinen Fuß zu streifen, das stand schon mal fest.
    Carolyn wartete auf Brodys Frage, ob sie in letzter Zeit ihren Therapeuten aufgesucht oder vielleicht vergessen hätte, ihre Medizin zu nehmen, doch er sagte überhaupt nichts.
    „Ich habe vielleicht ein bisschen überreagiert“, sagte sie schließlich, als sie vor Nattys Haus anhielten.
    Barfuß in ihrer zerrissenen Strumpfhose, drückte sie ihr Täschchen – wie durch ein Wunder war es nicht verloren gegangen – an die Brust und schritt so hoheitsvoll wie möglich über den Rasen zu den Stufen, die zu ihrer Wohnung führten.
    Brody begleitete sie bis vor die Tür, doch trotz des beengten Raums auf dem winzigen Treppenabsatz gelang es ihm irgendwie, einen gewissen Abstand zu Carolyn zu wahren. Ein Muskel zuckte in seiner Wange, doch der Ausdruck in seinen Augen verriet Schmerz, nicht Wut.
    „Kommst du zurecht?“, fragte er, als wäre er nicht sicher, ob er sie gefahrlos sich selbst überlassen konnte.
    Carolyn biss sich auf die

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