Die Creeds: Wo die Hoffnung lebt
zahlreichen Kochstellen und der Grillvorrichtung aufgefallen, ebenso Kühlschrank mit Eisfach, der extra eingebaute Weinkühler, die zwei übergroßen Geschirrspüler und die zusätzlicheSpüle und das Ceranfeld, beides eingelassen in die Granitplatte der Kochinsel mitten im Raum.
Sie war so groß wie Kansas, diese Kochinsel.
Und all das bedeutete, dass Brody entweder gern kochte und Scharen von Gästen einlud oder erwartete, dass jede Frau, mit der er sich einließ, seine Einstellung teilte … oder beides.
Carolyn lächelte – abgesehen vom Chili auf dem Ramschverkauf im letzten Herbst hatte sie nie im Leben etwas Anspruchsvolleres als Käsemakkaroni nach der Art, die in Schachteln geliefert wurde, zubereitet. Sie ging nach unten, um im Laden nach dem Rechten zu sehen. Was auch immer Tricia an diesem Nachmittag getrieben haben mochte, als sie mit Conner allein war, sie hatte jedenfalls daran gedacht, abzuschließen, den Computer auszuschalten und die Weberin für die Lieferung an Brody zu verpacken.
Im Laden herrschte jetzt Halbdunkel, und Carolyn blieb am Fuß der Innentreppe stehen. Die Weberin fehlte ihr schon jetzt. Doch wie der Zigeunerrock war das Bild ein Luxus, den sie sich nicht nur nicht leisten konnte, sondern für den sie im Grunde auch keine Verwendung hatte.
In Brodys Haus würde die prächtige Batik gesehen und gewürdigt, wie es sich gehörte. Vielleicht würde sie sogar als in Ehren gehaltenes Erbstück über Generationen von Creeds hinweg weitergereicht, während das Haus selbst mit jedem Jahr, das verging, mehr und mehr zum Symbol für den Fortbestand der Familie wurde.
Von ihrem Ehrenplatz über dem Kamin in Brodys Wohnzimmer aus würde die Weberin sehen, wie Neugeborene durch den breiten Haupteingang ins Haus getragen wurden, wie diese Babys heranwuchsen, sich verliebten, heirateten und selbst Kinder heimbrachten. Sie würde die stumme Zeugin von Lebenszeiten sein, diese Frau aus Wachs und Farbe, Zeugin der Freuden und Leiden und der unzähligen gewöhnlichen Momente zwischen diesen Extremen.
Carolyn hatte sich in ihrem Leben schon so manches Kunstwerk gewünscht, doch es war das erste Mal, dass sie das Werk selbst beneidete .
Am Kopf der Treppe angelangt, prüfte sie mit dem Handrücken auf der Stirn, ob sie Fieber hatte. Nein, aber warum fantasierte sie dann?
Bei dem Gedanken musste sie lächeln.
Ich leide, dachte sie mit schwarzem Humor, an einem schweren Fall von Brody-titis.
Umso mehr Grund, in Sachen Liebe auf Nummer sicher zu gehen.
Zurück auf der Ranch, ließ Brody die Hunde ins Haus und gab ihnen zu fressen, dann ging er in den Stall und versorgte die Pferde. Er würde Moonshine bis zum Morgen hier bei den anderen lassen.
Als er nach draußen trat, war der dunkle Himmel von Sternen übersät, und der Dreiviertelmond wirkte vergrößert, wie er da knapp über den Bergkämmen hing, als wäre er zu tief gesunken und hätte sich in einem Baum oder an einem zerklüfteten Felsen verhakt.
Brody seufzte und lüftete kurz seinen Hut, gerade lange genug, um sich mit der Hand durchs Haar zu fahren. Auf dem Hof blieb er stehen, um das Werk eines Gottes zu bewundern, an den er gar nicht unbedingt glaubte.
Gott hin, Gott her, dachte er, und ganz gleich, wie beängstigend es mitunter auch sein konnte, hier zu sein – mit wachen Sinnen und als Teil des Ganzen, und sei es nur für einen Wimpernschlag des kosmischen Auges, war es doch immer wieder ein Wunder und ein Geschenk.
Lisa war nicht viel Zeit auf Erden vergönnt, dachte er traurig, und der kleine Justin, sein Junge, hatte nicht einmal lange genug gelebt, um zwei Kerzen auf seiner Geburtstagstorte brennen zu sehen.
Unvermittelt spürte Brody einen Kloß im Hals, so eng, dass er kaum schlucken konnte.
Es war so, dass er sich eine eigene Familie wünschte, eine sanftmütige Frau heiraten, das Haus auf River’s Bend mit Kindern und den Stall mit Pferden füllen wollte. Doch wenn er müde war oder sich wie an diesem Abend ganz besonders einsam fühlte, machte ihm diese Vorstellung eine Heidenangst.
Nichts hatte ihm jemals so wehgetan wie der Verlust von Lisa und Justin. Wenn die Geschichte sich nun wiederholte? Wenn er noch eine Frau, noch ein Kind begraben musste?
Dank all seiner handfesten Vorfahren und der harten Schule des Lebens war Brody robust wie alle Creeds, doch nach der Doppelbegräbnisfeier in der Friedhofskapelle einer Kleinstadt in Montana wäre er beinahe dem Wahnsinn verfallen. Er begann, entschieden mehr als
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