Die Creeds: Wo die Hoffnung lebt
oder nicht.
Sie nahm sie.
Die Hunde hatten sich inzwischen selbstständig gemacht und unternahmen auf eigene Faust einen Erkundungsgang durchs Haus.
Brody zeigte Carolyn zuerst die Küche mit dem großen Herd, der Kochinsel und den zahlreichen Fenstern, dann den Raum, den er sich als Büro einrichten wollte, danach die Gäste- und Kinderzimmer und zuletzt das Hauptschlafzimmer.
„Ziemlich groß“, bemerkte Carolyn und blieb zögernd im Türrahmen stehen.
„Carolyn“, zog Brody sie aufgewühlt und gleichzeitig belustigt auf, „du darfst ruhig hineingehen. Hier steht noch nicht einmal ein Bett.“
Sie errötete leicht, beugte sich hinab und kraulte Barney, der kurz zurückgekehrt war, um ihr um die Beine zu streichen, bevor er sich wieder aus dem Staub machte. Danach schritt sie wie eine Schlafwandlerin bis zur Mitte des Zimmers vor, streckte seitlich die Arme aus, legte den Kopf in den Nacken, schloss die Augen und vollführte langsam eine anmutige Pirouette.
In diesem Moment war Carolyn in Brodys Augen unfassbar schön, wie eine Elfe oder ein auf die Erde herabgestiegenerEngel. Es hätte ihn nicht gewundert, wenn ihr hauchzarte Flügel gewachsen wären. Als sie stillstand und ihn wieder ansah, wirkte sie verlegen.
Liebend gern hätte er ihr gesagt, dass alles gut sei und er ihr bis in alle Ewigkeit beim Tanzen zuschauen könnte und restlos glücklich wäre, doch dann hätte er sich vollends zum Narren gemacht. Also hielt er lieber den Mund.
„Was sagst du?“, fragte er, nur um das Schweigen zu brechen. „Zu dem Haus, meine ich?“
Sie lächelte, sodass das Zimmer quasi zu leuchten begann. „Es ist wunderschön, Brody. Hast du es selbst entworfen?“
Natürlich war er nicht der Erste, der ein Haus entworfen hatte, doch aus Carolyns Mund hörte es sich an, als hätte er persönlich den Plan für Versailles gezeichnet, und dadurch fühlte er sich geradezu geadelt.
Plötzlich ganz bescheiden, nickte Brody.
Conner hätte sich mit Sicherheit schiefgelacht, wenn er seinen Zwillingsbruder bescheiden erlebt hätte. Und so mancher andere auch.
„Ja“, bestätigte er verspätet und spürte, wie seine Ohren zu glühen begannen. „Ich habe mir manche lange Nacht damit versüßt, den Grundriss und die Details zu planen.“
Sie schwieg ein paar Minuten. „Ich muss eigentlich nach Hause“, sagte Carolyn dann, umschimmert von silbrigem Mondlicht, das durch die Dachfenster fiel.
Solange Brody sich erinnern konnte, wünschte er sich, nachts im Bett liegen und durch die Zimmerdecke und das Dach hindurch in den Sternenhimmel blicken zu können. In ein paar Monaten sollte dieser Wunsch in Erfüllung gehen.
Aber wie stand es mit einer Frau, mit der er all das teilen konnte?
In die Sterne sehen war ohne Partner eine einsame Sache und ließ einen Mann erkennen, wie klein er war – wie klein der gesamte Planet war –, lauter Staubkörnchen in der Unendlichkeit.
„Okay“, krächzte er, als er wieder sprechen konnte. Es klang rau und heiser, und er hoffte, sich beim Durchqueren des Flusses keine Erkältung zugezogen zu haben. „Fahren wir.“
Er pfiff nach den Hunden, die prompt kamen, und scheuchte sie gewissermaßen in den Eingangsbereich des Hauses. Dort trat er um Carolyn herum, griff nach einem eleganten Messingknauf und öffnete die Tür für sie.
Valentino und Barney, beide keine Kavaliere, sprangen ihr voraus, um im Gras herumzuschnuppern. Dabei hätten sie Carolyn um ein Haar umgeworfen und brachten sie gleichzeitig zum Lachen.
Für den Fall, dass die Hunde auf die Idee kamen, vor lauter Begeisterung das Weite zu suchen, lud Brody sie zuerst in den Pick-up und wartete dann, bis Carolyn auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte, bevor er ums Heck des Wagens sprintete und sich hinters Steuer setzte. Nicht weil er es so eilig hatte, sich, wenn auch nur vorübergehend, von Carolyn zu trennen, sondern weil er plötzlich einen Energieschub verspürte und wie die Hunde voller Tatendrang war.
Auf dem Weg zur Hauptstraße, die in die Stadt führte, sagte Carolyn nichts, doch dieses Mal schien sie nicht böse auf Brody zu sein. Sie war entspannt und vielleicht ein bisschen nachdenklich.
Brody fuhr sie nach Hause und bemerkte auf den ersten Blick, dass Tricias Pathfinder nicht auf der Zufahrt stand. Daraufhin überlegte er kurz, ob er Carolyn nicht doch verführen sollte.
Es wäre eine Freude, sie auszuziehen, irgendwo weich und warm zu betten und sich in ihr zu versenken. Doch die Vernunft behielt die
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