Die Creeds: Wo die Hoffnung lebt
es.“
Carolyn blinzelte. Ihre Gedanken waren gelegentlich tatsächlich schon in diese Richtung abgeschweift. Abstruse Gedanken über die Erweiterung des Warenangebots, den Aufbau einer größeren Internetpräsenz, vielleicht sogar eines Versandhandels. Aber sie hatte sie nie sonderlich ernst genommen.
Sie könnte klein anfangen und Grußkarten, landschaftstypischeKochbücher und dergleichen anbieten. Und wie wär’s mit Bastelbedarf und drolligen Gummistempeln?
Denkbar wäre sogar, dass Primrose Lust hätte, zusammen mit anderen talentierten Einheimischen Kunstunterricht zu geben, um ihr Wissen und ihr Können mit anderen zu teilen.
All diese Gedanken schwirrten noch immer durch Carolyns Kopf, als Tricias durch die Schwangerschaft molliges Gesicht vor Begeisterung aufleuchtete. Sie ergriff Carolyns Hände und drückte sie. „Du siehst es vor dir, nicht wahr?“, riet sie und traf ziemlich genau ins Schwarze. „Du siehst all die wunderbaren Möglichkeiten, genauso wie ich.“
Carolyns Augen begannen zu brennen. Ihr Stolz zwang sie, sich abzuwenden, um zu schniefen. „Und wenn es ein riesiger Fehler ist?“, flüsterte sie.
Tricias Gehör war völlig in Ordnung. „Alles, was einen Versuch wert ist, bringt Risiken mit sich, Carolyn“, sagte sie.
Alles, was einen Versuch wert ist, bringt Risiken mit sich.
„Ich werde darüber nachdenken“, sagte Carolyn sehr vorsichtig und ging dann, nachdem sie Schultern und Rücken gestrafft hatte, in das kleine Büro, das den Computer des Ladens beherbergte.
Sie fuhr ihn hoch, ignorierte einen neuerlichen Ansturm der Begeisterung von der Friendly-Faces -Website und klickte die Auktionsseite an, auf der sie den Zigeunerrock zum Verkauf anbot.
Was sie dort sah, raubte ihr nahezu den Atem.
Die Gebote bewegten sich bereits im vierstelligen Bereich, und nach der Anzahl der Bieter zu urteilen, würden sie noch höher gehen.
In diesem Moment begann Carolyn sich vorzustellen, was es bedeuten würde, Hilfe im Laden zu haben, sodass ihr mehr Zeit für kreative Arbeit blieb.
Vielleicht, überlegte sie, und ihr Herz klopfte ein bisschen schneller, hat Tricia recht. Vielleicht war es Zeit, die Vorsichtbeiseitezulassen und etwas zu riskieren.
Auch mit einem gewissen Mann.
Die Express-Sendung lag vor Brodys Tür, als er und Barney gegen fünf Uhr nachmittags zum Blockhaus von River’s Bend zurückkehrten. Er hob sie auf, lächelte über den Absender und warf sie einmal in die Luft, bevor er sie auf die Arbeitsplatte legte.
Die DVDs, die er von seinem Freund geschnorrt hatte, waren rechtzeitig eingetroffen. Wenn der Samstagabend kam und damit endlich auch die Zeit für seine Freiluftkinoverabredung mit Carolyn, würde er vorbereitet sein.
Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar, kramte frische Sachen aus dem Schrank und ging ins Bad, wo er sehr schnell heiß duschte und sich noch unter der prasselnden Brause rasierte und Schweiß und Staub aus den Haaren wusch.
Als Brody sich wieder angezogen hatte, gab er Barney zu fressen, vergewisserte sich, dass sein Wassernapf mit frischem Wasser gefüllt war, und ging zur Tür. Nachdem er den ganzen Tag lang draußen mit Valentino gespielt hatte, schleppte sich Barney erschöpft zu seinem Körbchen und ließ sich mit einem zufriedenen Seufzer hineinfallen.
Brody schloss die Tür ab, warf einen Blick auf das neue Haus und stieg in seinen Pick-up. Um sechs Uhr sollte er bei Carolyn sein, und es war schon fast so spät, doch vermutlich musste sie sich ohnehin erst noch von ihrem Arbeitstag erholen. Da war es sicher nicht so schlimm, wenn er sich ein paar Minuten verspätete.
Er bog auf den Parkplatz des Supermarkts ein, lief in das Gebäude, kaufte zwei Dutzend pinkfarbene Rosen und eine Packung Kondome und eilte wieder hinaus.
Nicht nur dem Mutigen, sondern auch dem gut Vorbereiteten gehört die Welt, sagte er sich.
Als er vor dem Haus der McCalls hielt, stieg Tricia geradedie Verandastufen herab. Sie trafen sich auf halbem Weg, und sie nahm ostentativ Notiz von den Rosen – das Kondompäckchen klemmte zum Glück in einer Papiertüte unter seinem Arm –, hob eine Augenbraue und lächelte noch strahlender.
„Dass ich dich hier treffe, Brody Creed“, sagte sie.
Brody lachte. „So was aber auch“, erwiderte er.
Er machte kehrt, begleitete Tricia zu ihrem Pathfinder und wartete, bis sie eingestiegen war. Hoffentlich fuhr sie nicht vor der Heimfahrt noch zum Supermarkt, denn dort würde irgendwer sie mit Sicherheit über die
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