Die Cromwell Chroniken: Kaltes Feuer
so viel Glück gehabt wie sie und seine Mutter hatte sich nicht so hingebungsvoll um seine emotionalen Verletzungen gekümmert wie ihre.
Valerian schien nicht sehr begeistert von ihrem Anfreundungsprojekt. Ihn interessierte mehr sein Zuckernachschub.
Wie kann man nur so viel von dem süßen Zeug essen?
Zu schade, dass er der Einzige war, in dessen Aura sie nicht lesen konnte. Es hätte sie sehr interessiert, was für ein Mensch er war. Nur wenn seine Gefühle sehr intensiv wurden, schimmerte ein Hauch von Farbe zu ihr hindurch. Ob das damit zusammenhing, dass er ein Unsterblicher war? Prof. Foirenston hatte erwähnt, dass Unsterbliche immun gegen magische Beeinflussungen seien. Das galt dann wohl auch für magisches Durchleuchten. Und das, obwohl er die „Wandelung“ offenbar noch nicht vollzogen hatte …
Sie konnte es kaum abwarten, Prof. Lichtenfels zu löchern. Oder besser: Sie konnte es kaum abwarten, zuzuhören, wie ihre Kommilitonen ihn löchern würden. Sie selbst sprach nicht gerne vor anderen. Sie wurde nervös, wenn sie Desinteresse in den Auren um sich herum las, und das endete meist in heftigem Gestotter. Doch jetzt wollte sie erst einmal Flint zum Reden bekommen. Irgendwie musste man ihn doch aus seinem Schneckenhaus herauslocken können.
„Hattest du schon Gelegenheit, dich im Gebäude umzusehen? Ich habe gehört, dass es hier eine Bibliothek gibt“, fuhr sie lebhaft fort.
„Hm … nein … habe ich noch nicht. Ich habe vorhin meine Sachen ausgepackt. Die Zimmer sind recht schön“, murmelte Flint vor sich hin. Von Valerian war nur ein genüssliches Seufzen zu hören.
Vermutlich hatte er eine weitere Dessertschale erfolgreich geleert.
„Also ich bin fertig. Von mir aus können wir gerne einen Rundgang machen. Es geht ja erst um 14 Uhr weiter“, bot er an.
„Eine großartige Idee! Warten wir doch auf Flint und gehen dann alle zusammen!“, schlug Linda lächelnd vor.
Es herrschte einen Moment Stille.
„Meinst du, dass er das heute noch schafft?“, kam es skeptisch von Valerian.
„Schon okay. Geht ruhig ohne mich.“
Flints Tonfall war wie immer gleichmütig und kraftlos.
Linda wollte bereits widersprechen, doch Valerian kam ihr zuvor: „Sehr gut! Wir sehen uns dann später im Kurs oder auf unserem Zimmer.“ Der Unsterbliche sprang auf. Die junge Seherin fluchte innerlich und erhob sich widerwillig.
„Also schön … Dann bis später, Flint!“
Valerian war an ihre Seite getreten und führte sie fort. Sie seufzte leise, als sie den Speisesaal verlassen hatten.
„Du magst ihn nicht besonders“, meinte sie in einem anklagenden Tonfall zu ihrem Begleiter.
„Na hör mal! Er kommt direkt aus der Geschlossenen zu uns! Er hat sie nicht alle! Er hat uns beim Essen nicht einmal angesehen und seine ganze Art ist merkwürdig.“
Linda schnaubte undamenhaft. „Früher hat man Frauen verbrannt, wenn sie wussten, wie man einen Kräutersud herstellt. Normalsterbliche verstehen die Kraft nicht und haben deshalb Angst vor uns. Du weißt doch nicht mal, was genau der Grund dafür war, dass er in einer Anstalt gelandet ist.“
„Verteidige ihn, so viel du willst! Ich brauche jedenfalls nur einen Blick auf den Kerl zu werfen und merke sofort, dass mit dem etwas nicht stimmt. Mir läuft es kalt den Rücken runter, wenn ich ihn nur ansehe“, beharrte Valerian stur.
„Das ist doch wirklich albern!“, empörte sich seine Begleiterin. „Er ist einfach alleine und braucht ein paar Freunde. Und wenn ihr euch ein Zimmer teilt, dann müsst ihr doch eh miteinander auskommen.“
Sie glaubte, ihn leise etwas von Hunden murmeln zu hören, und schüttelte den Kopf. Sicher so eine Männersache …
Kapitel 5
Wir werden zu spät kommen , schoss es dem Unsterblichen durch den Kopf.
Als Valerian seine Begleiterin aus dem Speisesaal geführt hatte, schlug diese vor, dass er doch erst einmal sein Zimmer aufsuchen und seinen Koffer auspacken solle. Leider aber musste er sich ziemlich schnell eingestehen, dass er sich einfach nicht in diesem riesigen Gebäude zurechtfand. Also hatte sie sich seiner erbarmt und ihn nach Kräften beim Suchen unterstützt. So merkwürdig es auch war, doch ohne die Blinde hätte er seinen Weg durch das Haus niemals gefunden. Auf einem Belegungsplan hatte er nachgelesen, dass die Unterkünfte des ersten Stocks für die Studentinnen und die im zweiten Stock für die Studenten vorgesehen waren. Vielleicht ging die Schulleitung davon aus, dass, wenn es Männern möglich
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