Die Cromwell Chroniken - Schicksals Pfade (German Edition)
und schob es auf die Familiengene seiner Frau. Mein Großonkel war Schizophren. Zumindest steht das so in seiner Akte …“, meinte Flint trocken.
„Doch dieses Bild veränderte sich mit der Tat Ihrer Schwester.“
Wieder hatte Desmondo keine Frage gestellt, sondern eine Feststellung ausgesprochen.
„Ja. Er dachte, ich sei ebenfalls verrückt geworden oder schwer erziehbar oder was auch immer. Mein Vater und ich hatten nie eine tolle Beziehung. Ich glaube, ich war eine Enttäuschung für ihn. Mit seinem Sohn will man Fußballspiele ansehen und andere männliche Bindungsrituale zelebrieren. Stattdessen hatte ich Angst davor, andere – selbst Kinder – anzusehen, und ich mied öffentliche Veranstaltungen. Orte mit Menschenansammlungen waren für mich ein Graus.“
Ich bin eine Enttäuschung!
Er hatte schon immer gewusst, dass es so war, doch nie hatte er es laut ausgesprochen. Diese Worte hallten nun in seinem Kopf wider und sie wurden von einem Gefühl begleitet, das er schon immer in Gegenwart seines Vaters gehabt hatte. Das Gefühl, nicht zu genügen, egal, wie sehr man sich auch anstrengte. Das Gefühl von Hoffnungslosigkeit. Und, seit seine Mutter tot war, von Einsamkeit. Bis Sir Fowler in sein Leben trat, hatte es niemanden mehr gegeben, dem er sich anvertrauen konnte. Der genau wie er magiebegabt und anders war. Der nachfühlen konnte, was es hieß, schon als kleines Kind vom Schicksal gezeichnet worden zu sein. Zur restlichen Familie hatten sie keinen Kontakt, die meisten lebten auch gar nicht mehr.
„Und Ramona? Hat sie sich noch einmal gewalttätig geäußert? Ist sie eine Gefahr für ihre Umgebung?“
Desmondos Stimme schien wie aus weiter Ferne zu kommen. Es dauerte eine Weile, bis sie in Flints Bewusstsein drang. Er atmete tief durch und versuchte, seine Niedergeschlagenheit abzuschütteln.
„Sie verlässt die Wohnung nicht, deshalb ist mein Vater die einzige Umgebung, die sie hat. Und nein, ich denke nicht, dass sie für ihn eine Gefahr ist. Der Vorfall hat sie selbst schockiert. Sie hat sich völlig zurückgezogen und ist in keiner Weise auffällig.“
Aber wenn Flint ehrlich war, so musste er zugeben, dass sie das zuvor auch nicht gewesen war.
Wie „auffällig“ muss sich ein psychisch kranker Mensch benehmen, dass man davon ausgehen kann, dass er eine Gefahr für andere ist? Hat Fowler mich deshalb immer wieder nach Hause geschickt? Damit ich dafür sorge, dass es Ramona gutgeht? Ist das der Grund?
Flint hatte Kopfschmerzen.
Wie lange geht das hier eigentlich noch? Hat er nicht alles erfahren, was er wissen wollte? Noch mehr Seelenstriptease habe ich nicht zu bieten, bedaure.
Doch der Professor wollte selbst zu einem Abschluss kommen.
„Ich denke, es ist genug für heute. Wir sind beide erschöpft und haben Ruhe verdient. Ich würde Sie gerne morgen früh zu einem Abschlussgespräch wiedersehen.“
Flint nickte erleichtert und erhob sich. Plötzlich hielt er noch einmal inne. „Heißt das, dass ich die Prüfung bestanden habe? Oder kommt noch was?“, wollte er wissen. Er fürchtete, dass ihm noch ein Treffen mit dem irren Gustave bevorstand, und darauf hatte er absolut keine Lust.
„Kommen Sie morgen früh zu unserem Treffen, dann haben Sie Ihre Ordensprüfung bestanden.“
„Okay. Ich sehe Sie also morgen, Professor. Zehn Uhr. Hier.“
„Gut, dann können wir auch die Details des Aufnameritus besprechen.“
Ich wusste, das Ganze hat noch eine unattraktive Seite.
Der junge Geisterseher verzog das Gesicht, nickte und verschwand aus dem Büro, ehe noch eine unerfreuliche Nachricht eintraf.
Kapitel 54
D éjà-vu , dachte Linda, als sie hörte, wie sich die Motorgeräusche entfernten und sie alleine zurückblieb. Erinnert mich schon sehr an das letzte Mal. Hoffentlich endet es nicht wieder so, sonst krieg ich die Krise!
Eine kleine Variation hatte es bereits gegeben: Anstatt Linda aussteigen zu lassen und dann fortzufahren, hatte Rosina Kempten darauf bestanden, sie noch einige Schritte zur Seite zu führen. „Wenn alles so funktioniert, wie es soll, dann wirst du schon begreifen, warum“, war ihre Begründung gewesen. „Und denk immer daran: Essenz ist überall!“
Essenz ist überall … Na ja, da hat sie schon hilfreichere Kommentare von sich gegeben. Andererseits ist das mein offizieller Prüfungstag, da kann ich wohl keine hilfreichen Tipps mehr erwarten. Jetzt ist der Moment gekommen, bei dem es zu zeigen gilt, dass ich es draufhabe. Und ich habe es
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