Die Cromwell Chroniken - Schicksals Pfade (German Edition)
schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe selbst ein Auto mitgebracht. Das ist für unsere Zwecke passender. Schließlich wollen wir ja nicht stecken bleiben.“
Diese Aussage machte Cat sowohl stutzig als auch neugierig. Was meint sie wohl damit?
Draußen angekommen, brauchte die Studentin nicht lange, um das Auto ihrer Prüferin zu identifizieren: Ein alter Jeep stand seitlich in der Einfahrt. Katharina, die in ihrem Leben noch nie mit einem so antiken Gefährt unterwegs gewesen war, ganz zu schweigen von einem Auto ohne Airbags, bedachte den Wagen mit einem zweifelnden Blick.
Patricia bemerkte das und sagte amüsiert: „Sieht nicht wie das typische Fahrzeug einer Seherin aus, oder?“ Offenbar war sie sich des Eindrucks, den dieses Gefährt erweckte, wohl bewusst.
„Na ja, nicht so wirklich. Ist der überhaupt noch vom TÜV zugelassen?“
Patricia schloss das Auto auf und verstaute das Gepäck.
„Die alte Lady und ich haben schon viel gemeinsam erlebt. Ich weiß, sie sieht ein wenig mitgenommen aus, aber sie hat mich noch nie hängen lassen. Glaub mir, sie wird uns sicher ans Ziel bringen.“
Katharina hatte da so ihre Zweifel, doch sie beschloss, sich tollkühn auf dieses Wagnis einzulassen.
Ich sehe es einfach als ersten Teil der Prüfung an.
„Ihre erste Aufgabe befasst sich mit der Animation.“
Cendricks Prüfer, der sich mit dem Namen Andreas Schmitt vorgestellt hatte, legte eine kleine metallene Kugel auf den Tisch.
Alle Studenten waren in die Kelleretage gebracht und je einem Hetaeria-Magi-Prüfer zugewiesen worden. Zu zweit betraten sie dann einen der vielen kleinen Räume, die von dem tristen Gang abzweigten. Cendricks Raum war, gelinde gesagt, hässlich. Boden, Decke und Wände aus Beton, formten einen unästhetischen Würfel, der nur mit einem Stahltisch und dem dazu passenden Stuhl bestückt war. Auf diesem Stuhl saß Cendrick nun und kam sich wie ein Häftling in einem schlechten amerikanischen Gefängnis-Thriller vor. Über ihm erhellte eine Neonröhre das fensterlose Zimmer.
Sein Blick senkte sich stirnrunzelnd auf die Kugel.
„Bringen Sie die Kugel dazu, sich zu bewegen. Sie haben eine Stunde Zeit.“
Damit war Herr Schmitt auch schon wieder aus der Tür.
Cendrick sah ihm ungläubig hinterher.
Soll das ein Scherz sein?
Der blonde Magier war sehr wohl mit dem Magiebereich des „Animatio“ vertraut. Es war das lateinische Wort für „Belebung“ und bezeichnete die Zaubersprüche, die unbelebte Objekte zu bewegen vermochten.
Eine Zauberspruchserie, die erst im Hauptstudium unterrichtet wird!
Cendrick erinnerte sich zurück, als er zum ersten Mal einen Animatio-Spruch gesehen hatte. Er war fünf Jahre alt gewesen und hatte seinem Vater voller Stolz ein aus Papier gebautes Segelflugzeug gebracht. Der Flieger vermochte zwar nur in einem formschönen Bogen auf den Boden zu fallen, aber allein dieses Kunststück hatte den kleinen Cendrick viel Mühe gekostet.
„Guck mal, Papa! Ich kann machen, dass Papier fliegt!“, hatte er gerufen.
Nach dem misslungenen Flugversuch hatte Christoph van Genten sich erhoben, sein Jackett gestrafft und sich vor seinem Sohn aufgebaut. „ Ich kann machen, dass Papier fliegt!“, hatte er voller Inbrunst gesagt und seine Rechte auf das Flugzeug gerichtet.
„ANIMOSUS ANIMA FIGURA HOC INSTATATUM!“
Wie von Zauberhand erhob sich der kleine Papierflieger mit der abgeknickten Schnauze in die Luft. Langsam schwebte er in die Höhe. Die Hand von Cendricks Vater dirigierte jede Bewegung. Der Junge verfolgte alles mit großen, staunenden Augen und geöffnetem Mund. Dann sauste das Flugzeug durch den Raum, schneller und schneller, flog Kreise und Saltos, sodass der Kleine vor Freude jauchzte.
Kinderkram , dachte der erwachsene Cendrick nun verächtlich und bemühte sich, das aufkommende Hochgefühl, welches mit der Erinnerung verbunden war, zu unterdrücken. Ich sollte mich lieber meiner Aufgabe widmen.
Er musste sich aber eingestehen, dass die vergangenen Bilder einen Vorteil gehabt hatten. Er hatte sich die Formel für den Zauber in seinem Gedächtnis wach gerufen. Jetzt musste er sie bloß noch an das neue Objekt anpassen.
Theoretisch konnte ein Magier selbst Sprüche für seine Zauber formulieren. Die Worte waren nur ein Mittel, um die Essenz in einer Form zu bündeln. Wichtig waren die Absicht, die dahinter stand, und ein konzentrierter Geist. Jedoch war es erwiesenermaßen einfacher, einen Spruch zu verwenden, der bereits einmal gewirkt hatte.
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