Die Cromwell Chroniken - Schicksals Pfade (German Edition)
am besten ab.
Wenn er daran dachte, wie impulsiv sein Fußtritt gewesen war, dann kamen Cendrick berechtigte Zweifel, ob er als strahlender Sieger aus der Prüfung hervorgehen würde. Langsam aber sicher begann er, nervös zu werden. Er hatte nie damit gerechnet, dass er durchfallen könnte. Es war lediglich eine Frage, wie viele seiner Kommilitonen mit seiner hochgradigen Leistung mithalten konnten. Doch nun geriet sein Selbstvertrauen ins Wanken.
Nervös ging er auf und ab und fragte sich, was als Nächstes auf ihn warten würde.
Wieder so eine Trick-Prüfung? Oder haben sie sich diesmal etwas anderes einfallen lassen? Womöglich muss ich in den Boxring steigen und Philipp verprügeln. So langsam finde ich diese ganze Ordensprüfung fragwürdig.
Was immer es auch sein mochte, Cendrick würde vorbereitet sein. Er würde es durchschauen und dann entsprechend handeln. Er konnte sich an jede Situation anpassen. Er würde diese Prüfung meistern und mit Bravour bestehen.
Koste es, was es wolle.
Notfalls würde er sich seinen Weg in den Orden kaufen. Jeder Mensch war bestechlich. Er würde schon noch herausfinden, womit er diesen biederen Prüfer ködern konnte.
Kapitel 14
Hier sieht es richtig modern aus , dachte Graciano und ließ den Blick über das Krankenhausgelände schweifen. Alles ist neu. Es gibt sogar einen Springbrunnen in der Eingangshalle.
Tatsächlich war das Krankenhaus vor wenigen Jahren komplett renoviert worden. Eine großzügige Spende einer anonymen Person (oder besser: eines anonymen Ordens) hatte dies ermöglicht. Die Wege vor dem Gebäude waren neu angelegt und wurden rechts und links von blühenden Hibiskusbäumchen gesäumt. Bienen schwirrten um die dunkelroten Blütenkelche.
Man könnte es fast idyllisch nennen.
Doch gleichgültig, wie hübsch die Fassade dieses Gebäudes war, sie konnte über eines nicht hinwegtäuschen: Die Menschen, die hierher kamen, waren meist todkrank und verzweifelt. Ihre Familien erschüttert und hilflos. Es versetze ihm einen Stich, wenn er daran dachte.
So viel Elend auf der Welt. Manchmal kann ich es nicht verstehen.
Graciano war bewusst, dass er zu den wenigen Menschen gehörte, die Gottesnähe bereits von klein aufgespürt hatten. Kinder hatten noch einen ganz leichten und unkomplizierten Zugang zu ihrem göttlichen Vater. Erst wenn die Ratio in ihnen reifte, begannen sie, Dinge infrage zu stellen, die vorher klar gewesen waren.
Auch Graciano hatte während er heranwuchs viele Fragen gehabt, doch er hätte die Gottespräsenz nie in Zweifel gezogen. Schließlich spürte er ihn ganz deutlich in jedem Augenblick. Es gab Menschen, für die stellte ein Schicksalsschlag den Beweis für das Fehlen eines guten Gottes dar. Bei Graciano war es genau umgekehrt: In schweren Zeiten war es sein Glaube, der in trug. Ohne Gott hätte er oft nicht weitergewusst. Manche mochten es als naiv bezeichnen, wenn man an ein Wesen glaubte, das man nicht sehen konnte. Für Graciano aber war es naiv zu glauben, der Mensch wäre die höchste Lebensform im Universum.
„Nein, ich habe noch keine Ergebnisse. Sie wollen noch weitere Tests machen. Langsam bin ich das Blutabzapfen wirklich leid. Sollen sie doch gleich alles nehmen, dann habe ich wenigstens meine Ruhe!“
Das Telefonat eines ungehaltenen Patienten brachte Graciano wieder ins Hier und Jetzt zurück. Der Mann trug einen grauen Trainingsanzug, er zog ungeduldig an seiner Zigarette und bekam im nächsten Moment einen Hustenanfall. Dann sah er den Studenten.
„Was glotzt du denn so blöd?“
Graciano fühlte sich ertappt. Schnell senkte er den Blick und folgte Pater Ignatius in das Innere des Gebäudes.
Das Erste, was er beim Eintreten wahrnahm, war die fremde Luft. Es stank zwar nicht, doch die Luft war – anders.
Gefiltert und klinisch rein , dachte er und fühlte sich merkwürdig dabei.
Den Patienten musste es genauso gehen. Nicht ein einziges fröhliches Gesicht war zu sehen. Die Frau an der Information versuchte einer verwirrten alten Dame zu erklären, wie sie wieder auf ihr Zimmer gelangte. Ärzte marschierten mit angespanntem, konzentriertem Blick die Gänge entlang. Pflegepersonal hetzte von Raum zu Raum. Man sah ihnen an, dass sie für ihre aufopfernde Arbeit unterbezahlt und unterbesetzt waren.
Ein flaues Gefühl breitete sich in Gracianos Magen aus. Er mochte keine Krankenhäuser – und je länger er in einem blieb, desto schlimmer wurde das Unwohlsein.
Der Geistliche schien sich hier auszukennen.
Weitere Kostenlose Bücher