Die Cromwell Chroniken - Schicksals Pfade (German Edition)
können? Eine Geistesverschmelzung! Von einem ungeübten Studenten! Genauso gut hättet ihr eine ganze Packung Halluzinogene schlucken können. Das wäre ungefähr gleich gefährlich gewesen.“
Die Studentin sah verlegen zur Seite.
„Ich weiß, dass es leichtsinnig war. Aber er hat keine andere Möglichkeit gesehen und ich bin ihm dankbar dafür, dass er es getan hat.“
„Warum habt ihr keinen Dozenten eingeschaltet? Jemanden mit mehr Erfahrung?“
„Damals hatte ich mich noch nicht gegen den Hetaeria Magi entschieden. Mein Bruder half mir dabei, meine wahren Begabungen vor der Außenwelt geheim zu halten. Wären wir zu einem Dozenten gegangen, dann wäre unser Geheimnis aufgeflogen.“
Patricia musterte sie eine Weile streng.
„Du hast großes Glück gehabt, dass dein Freund so einen starken Willen und so viel Mut besessen hat. Sehr großes Glück sogar.“
Cats Mundwinkel hoben sich zögerlich. „Ich weiß“, murmelte sie.
Linda war frustriert.
Das hat doch keinen Sinn. Ich laufe und laufe und habe keine Ahnung, wohin. Hier ist einfach gar nichts! Kein Mensch, kein Tier, keine Pflanze, keine gebundene Essenz. Nicht der Hauch eines lebenden Atoms. Außer mir gibt es hier rein gar nichts.
Sie blieb stehen und versuchte sich erneut auf andere Art zu orientieren. Die Begrenzung, die ihr dabei auferlegt war, machte sie mürrisch.
Keine Geräusche. Nichts zu hören. Nicht mal ein kleines Lüftchen geht. Es ist einfach heiß und trocken. Was ist das nur für ein Ort? So was ist mir in meinem ganzen Leben noch nie begegnet!
Aber genau das hatte man ihr angekündigt. Dass sie einer Herausforderung entgegentreten sollte, die sie aus ihrem Alltag nicht kannte.
Sie beschloss, erneut die Richtung zu wechseln. Irgendwo musste doch jemand sein!
Mit dieser heroischen Einstellung setzte sie ihren trostlosen Weg weiter fort. Innerlich aber begann sie der Prüfungskommission zu grollen.
Was haben sie dadurch schon bewiesen? Dass ich keine Markierungen auf dem Boden erkennen kann?
Durfte man ihr solch eine unlösbare Aufgabe stellen? War Rosina deshalb so nervös gewesen? Weil man Linda in eine Falle gelockt hatte? Eine Pseudo-Prüfung?
So traurig es auch war: So etwas Simples wie eine Bodenbemalung konnte sie tatsächlich schachmatt setzen. Aber wer würde schon so unfair mit ihr umgehen?
Die anfängliche Frustration wandelte sich zuerst in Sorge und schließlich in zunehmende Panik.
Dieser Platz ist riesig. Endlos! Ich finde hier rein gar nichts. Ich sehe nichts. Ich höre nichts. Ich bin hier mutterseelenallein. Ich kann mich nicht orientieren. Vermutlich laufe ich schon seit Stunden im Kreis.
Linda hatte jedes Zeitgefühl verloren und fühlte sich auf einmal sehr verletzlich und im Stich gelassen. Die Luft schien dünner zu werden, denn das Atmen fiel ihr schwer. In ihren Ohren hörte sie ihren Puls schlagen. Immer schneller, immer bedrohlicher.
Ich … bin hier völlig alleine.
Sie schluckte schwer und versuchte, ihre Fassung wiederzuerlangen, doch es funktionierte nicht. Sie hatte das Gefühl zu fallen, als hätte jemand den Boden unter ihren Füßen fortgezogen. Eine bedrohliche Dunkelheit, die sich ausdehnte und sie zu verschlucken drohte.
Was passiert hier mit mir? Warum habe ich auf einmal solche Angst? Warum kann ich mich nicht mehr beruhigen?
Tränen stiegen ihr in die Augen und besorgt stellte sie fest, dass sich ihr Brustkorb wie zusammengepresst anfühlte. Die anwachsende Panik, die sich wie tobende Wellen an den Rettungswall ihrer Selbstbeherrschung geworfen hatte, schwappte über den Rand und brach die Dämme. Ihre Knie gaben nach und sie fiel auf den Boden. Ihr Blindenstab rollte von ihr weg, doch sie bemerkte es nicht. Sie schlug die Hände vors Gesicht und ließ ihrer Angst freien Lauf.
Hilfe.
Hilfe!
HILFE!
HIIILLFFEEEEEE!
Linda konnte spüren, wie ein Schwall Essenz sie verließ. Zurück blieb eine leere, schwache Hülle und sie schluchzte, weil sie sich noch nie so schutzlos gefühlt hatte wie in diesem Moment.
Kapitel 17
Der Abend war bereits angebrochen, als Pater Ignatius, gefolgt von Graciano, das Büro des Krankenhaus-Seelsorgers betrat. „Pfarrer Etelbert Weyer“ war auf dem Schild neben der Tür zu lesen. Der Mann, der ihnen schwitzend entgegentrat, war Ende fünfzig, stark übergewichtig und konnte nicht mehr viel Kopfhaar sein Eigen nennen. Er trug eine schwarze Hose und ein weißes Hemd. Für Graciano war so eine legere Kleidung ungewohnt. Wenn er Geistliche
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