Die Cromwell Chroniken - Schicksals Pfade (German Edition)
er davon aus, dass sie unverschlossen war.
Immerhin kann ich raus, wenn ich will.
Der Gedanke ließ ihn innehalten.
Moment: Ist das womöglich die Prüfung? Dass ich den Weg nach draußen finde? Sicher nicht. So eine dämliche Aufgabe würden sie nicht stellen – oder?
Wenn er an seinen ersten Test dachte, dann war er sich nicht mehr so sicher. Doch vielleicht war genau das der Trick?
Nachdenklich starrte er die unsichtbare Tür vor sich an.
Ich bin in einem dunklen Raum. Was ist das Erste, das man tut, wenn man in einem dunklen Raum ist und drinbleiben möchte?
Licht machen!
Und wie mache ich Licht?
Um sich nicht erneut zum Narren zu machen und einen unsagbar schweren Zauber aus dem Repertoire seines Vaters zu versuchen, tastete er lieber die Wand neben der Tür ab.
Irgendwo muss doch ein Lichtschalter sein.
Er fand jedoch keinen in unmittelbarer Nähe.
Dann muss ich eben weitersuchen.
Cendrick machte sich ans Werk, sämtliche Wände des Zimmers abzutasten. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, als er schließlich wieder die Tür erreichte.
Kein Lichtschalter. Kein dummer Lichtschalter! Also doch eine magische Lösung!
Lichtzauber waren die ersten Zauber, die ein junger Magier lernte. Er beherrschte Diverse davon. Ungeduldig griff er unter sein Hemd und zog seinen Kristallanhänger aus dem Ausschnitt.
War also doch eine gute Idee, mein Amulett mitzunehmen.
Cendrick hatte sich zuerst gefragt, ob es einem Betrug gleichkam, wenn man einen mit Essenz gefüllten Fokus zu einer Prüfung mitbrachte. Nach dem eindringlichen Studium der Vorschriften hatte er jedoch herausgefunden, dass dem nicht so war. Nun schloss sich seine Linke um den Kristall und intonierte leise: „Fiat lux intra crystallus mihi.“
Sofort glimmte weißes Licht in seinem Stein auf. Erst schwach, dann stärker – und schließlich erhellte es den ganzen Raum.
Ich habe keine Lust mehr, im Dunkeln herumzuirren.
Der Student sah sich in dem Raum um. Der Anblick war ernüchternd.
Nichts! Hier ist überhaupt nichts! Das kann ja wohl nicht wahr sein!
Das Zimmer glich dem vorhergehenden – nur mit dem Unterschied, dass sich in diesem keine Lampe und auch keine kargen Möbel befanden. Der Betonraum war leer und nichts deutete auch nur im Entferntesten auf den Inhalt der momentanen Prüfung hin.
Da mein Prüfer nicht reingestürmt kommt, kann ich wohl davon ausgehen dass „Lichtmachen“ nicht das Ziel war. Aber was dann? Was soll ich hier tun? Hier gibt es doch rein gar nichts.
Es sei denn, es gab etwas, was Cendrick nicht sehen konnte.
Oder etwas, was ich nur im Moment nicht sehen kann.
Welche Dinge kann ein Magier sichtbar machen, obwohl sie für gewöhnlich unsichtbar sind?
Er ging nachdenklich auf und ab.
Geister sind es nicht. Auf die haben wir keinen Einfluss. Das Gleiche gilt für Elementare. Wobei hier sicher kein Elementar herumlungert.
Die Hetaeria Magi hatten keine hohe Meinung von Elementaren. Nach und nach ging er die magischen Wesenheiten durch, die für normale Menschen unsichtbar waren. Er kam jedoch zu keiner befriedigenden Lösung. Schließlich starrte er seufzend an die Decke. Der Schein seines Lichts vertrieb alle Schatten.
Schatten , echote es in seinem Kopf.
Schatten! Du meine Güte!
Schnell drehte er sich einmal im Kreis und versuchte, den Fokus schützend vor sich zu halten. Als Kind hatte ihm sein Vater von den bösen Schatten erzählt, die unvorsichtige Menschen holten und auf qualvolle Weise töteten. Er hatte sich fürchterlich erschrocken und für mehrere Wochen nicht schlafen können. Seine Mutter, Adele van Genten, hatte ihrem Mann anhaltende Vorwürfe gemacht, dass er dem Jungen so eine „Geschichte“ erzähle. Christoph van Genten, der nicht für seine Kritikfähigkeit bekannt war, hatte steif erwidert, dass er weit darüber stünde, einfache „Geschichten“ zu erzählen, und dass es ihm darum ginge, seinen Sohn auf die reale Welt und ihre Gefahren vorzubereiten. Cendrick hatte das Gespräch mitbekommen und gedacht, dass sein Vater sich rausredete. Als er älter wurde, hatte er die Erzählung in die Märchenschublade geschoben. Doch wenn er heute so darüber nachdachte, dann musste er zugeben, dass sein Vater in der Tat nicht der „Märchenonkel“-Typ war. Eher las er einem Fünfjährigen seine „Gute-Nacht-Geschichte“ aus der Zeitung vor.
Es gibt diese Schatten. Er hat die Geschichte nicht erfunden. Es gibt böse Schatten. Die würden mich hier doch nicht in einen dunklen Raum mit einem
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