Die Cromwell Chroniken - Schicksals Pfade (German Edition)
ein.
„Ich nehme an, ein sehr mächtiges Wesen, weil ich die Visionen sogar innerhalb des magischen Schildes von Cromwell erhalten konnte, oder? Und … na ja … ich habe es, ehrlich gesagt, nie versucht“, druckste sie herum.
Patricia seufzte laut.
„Oh, Mädel! Ich glaube, ich muss erst eine Unterrichtsstunde über richtiges Seher-Verhalten einschieben, ehe wir dich wieder in die Vergangenheit schicken. Das ist ja kein Zustand!“
Kapitel 26
Graciano fühlte sich wie gerädert. Er war es gewohnt, früh aufzustehen, doch dem ging ein früher Gang zu Bett und erholsamer Schlaf voraus. Diesmal aber hatte er die Nacht durchwacht und stundenlang in der Bibel gelesen. Trotzdem wurde er früh munter und konnte nicht mehr einschlafen. Es hatte allerdings auch sein Gutes, früher als die restlichen Bewohner aufzustehen: Er musste sich das Etagenbad mit niemandem teilen und in der Dusche gab es jede Menge warmes Wasser.
Vermutlich fragen sich jetzt alle, wer der Neue ist, der so früh am Morgen aufsteht und Lärm veranstaltet , dachte Graciano schmunzelnd, als er sich mit Duschgel einschäumte.
Wieder trocken, in frischen Kleidern und rasiert war er wach genug, um den Tag willkommen zu heißen.
Graciano griff in seine Hosentasche und zog ein checkkartengroßes Plastikteil heraus. Pfarrer Weyer hatte ihm das Kärtchen mit der Erklärung überlassen, dass er sich damit in der Kantine mit Essen und Trinken versorgen könne. Nun stand er an der langen Frühstückstheke und konnte sich nicht entscheiden, was er auf sein Tablett legen sollte. Wäre es nach ihm gegangen, so hätte er spartanisch mit Zwieback und Kaffee gefrühstückt. Doch er wusste nicht, wie viel Anstrengung der Tag mit sich bringen würde, und er fragte sich, ob ein nahrhafteres Essen nicht vernünftiger wäre.
„Na? Qual der Wahl?“, ertönte eine belustigte Stimme hinter ihm.
Als er sich umdrehte, lächelte ihn ein amüsiertes Sommersprossengesicht an. Sein Gegenüber war ungefähr gleich alt, hatte karottenrote Haare und trug die Kleidung eines Pflegers.
„So ungefähr“, bestätigte Graciano und nickte ebenfalls lächelnd.
Der andere erhaschte einen Blick auf seine Karte und machte große Augen. „Oh, du bist einer von denen! Macht es dir etwas aus, wenn ich ein paar Sachen von mir mit auf dein Tablett packe?“
Der Student runzelte verwirrt die Stirn und sah zu, wie der Rotschopf Croissants, Nussgipfel, Schokobrötchen und Marmelade auf seinen Tablett häufte.
„Äh … denen?“
„Ja, ein Besucher, der auf Kosten des Krankenhauses isst. Dafür ist die Karte doch da, oder?“
„Ich denke schon“, gab der Wächter zögerlich zur Antwort.
„Na, also! Macht dir doch nichts aus, wenn ich mein Essen mit auf dein Tablett lege, oder? Ist für dich schließlich umsonst und wenn ich ehrlich bin, wird mein Geld langsam knapp. Das scheint irgendwie immer kurz vor Monatsende auszugehen.“
Graciano musste nicht erst auf den Kalender sehen, um zu wissen, dass von „Monatsende“ noch gar nicht die Rede sein konnte. Hilflos sah er zu, wie der andere nun auch Butter, Nutella und frisch gepressten Orangensaft auf das Tablett türmte und sich dann grinsend zu ihm umwandte.
„Nimmst du gar nichts?“
Der Rotschopf hatte auch einen Namen. Er hieß Kai – und er hatte einen großen Appetit. Graciano fühlte sich an Valerian erinnert und unweigerlich fragte er sich, ob jener wohl auch gerade eine übergroße Portion Gebäck in sich hineinstopfte.
Irgendwie bin ich ständig von Menschen umgeben, die viel essen , stellte er irritiert fest und schüttelte den Kopf.
„Schmeckt’s nicht?“, interpretierte Kai seine Geste falsch.
„Doch, doch … Ist sehr gut“, antwortete Graciano schnell.
Nachdem Kai Gracianos Tablett großzügig mit seinen eigenen Sachen gefüllt hatte, war der Student wieder zu seiner Zwieback-und-Kaffee-Idee zurückgekehrt. Leider gab es keinen Zwieback, also musste ein Päckchen Knäckebrot herhalten.
Graciano hätte es nicht über sich gebracht, mehr zu bestellen. Er fand die Portion auf seinem Tablett bereits jetzt unverschämt. Auf der anderen Seite wollte er aber auch nicht unhöflich sein. Also hatte er sich aus dem Zwiespalt gerettet, indem er sein eigenes Frühstück kaschierte.
Der sommersprossige junge Mann war ein angenehmer Gesprächspartner. Munter berichtete er Graciano von seiner Arbeit als Krankenpfleger, die er gerade begonnen hätte. Sein bisheriges Highlight wäre der Transport einer Leiche in
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