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Die da kommen

Die da kommen

Titel: Die da kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Jensen
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Armee zu Hilfe kommen. Sie können mir glauben, Ihr Junge ist hier sicherer als draußen. Da bildet sich eine Bewegung aus lauter Verrückten. Unser Personal wurde schon angegriffen.« Sein Lächeln ist ein winziges, freudloses Zucken. »Weil sie Außerirdische bei ihrem schändlichen Streben nach der Weltherrschaft unterstützen.«
    Wir betreten den Spielplatz, wo er drei Mitarbeitern zuwinkt: einem dünnen, muskulösen jungen Mann – den ich schon einmal über Skype gesehen habe –, einer jungen Frau von etwa achtzehn, die den einen Arm in einer Schlinge trägt, die Haare zur Hälfte abrasiert und eine große, rote Narbe auf der Kopfhaut hat, und einer älteren Frau, die auf einer Bank sitzt. Alle drei haben denselben wachen, unruhigen Blick, wie man ihn von Leibwächtern kennt. »Wir haben zwanzig Ärzte, aber das ist bei Weitem nicht genug. Diese Leute hier sind Freiwillige. Die junge Frau ist Hannah. Sie ist unmittelbar aus dem Krankenhaus zu uns gekommen. Ihre Schwester Jodie hat beide Eltern getötet. Sie saßen alle zusammen im Auto. Die Kleine hat nach dem Lenkrad gegriffen und den Wagen von der Straße gelenkt. Nicht zu fassen, dass das eine Mörderinist, oder?« Er deutet mit dem Kopf zu einem kleinen Mädchen mit Engelsgesicht und stark verfilztem Haar, das mit einer Gruppe anderer Kinder dasitzt und Sand durch die Finger rieseln lässt. »Nicht alle sind fähig, hier zu arbeiten. Manche stellen nach einem Tag fest, dass sie nicht damit klarkommen. Andere geben noch früher auf. Die meisten Eltern, die ihre Kinder herbringen, können gar nicht schnell genug von hier wegkommen. Ihre Gefühle überwältigen sie, wenn sie sie so sehen.« Er hält inne und lacht leise. »Gestern hat Naomi ein paar Nonnen hereingelassen. Aber es stellte sich heraus, dass sie eine Art Exorzismus durchführen wollten. Damit hatte sich die Sache erledigt.«
    Er hält inne und hebt den Finger. Wir stehen auf und horchen einen Moment lang. Einige Kinder machen leise, tutende Geräusche, wie kleine Nebelhörner. Andere schnalzen mit der Zunge. Stell dir einen Affenkäfig vor. »Hier drinnen verfällt ihre Sprache sehr rasch. Man hört Sprachfetzen, aber die sind minimal.«
    »Glossolalie?«
    »Ich bin mir sicher, dass die Laute tatsächlich etwas bedeuten. Die Kinder kommunizieren miteinander. Das ist eines der Phänomene, die Sie für uns untersuchen sollen.«
    »Freddy hat gestern ein kantonesisches Wort verwendet«, berichte ich. »Er hat lap-sap gesagt . Das bedeutet Abfall. Möglicherweise hat er es von mir gehört. Aber ich war überrascht. Auch einer der Saboteure hat es benutzt.« Ich frage mich, wie lange es dauern wird, bis auch Freddy tutet und schnalzt.
    Plötzlich schreit der muskulöse Mann: »Hey, aufhören!« Er rennt auf einen kleinen Jungen zu, der in eine Ecke des Sandkastens gegangen ist und die Hose heruntergelassen hat, um seinen Darm zu entleeren.
    »Das ist Flynn«, sagt Professor Whybray. »Er war früherbei der Armee. Sehr nützlich.« Flynn packt den Jungen, zieht ihn hoch und marschiert mit ihm zu einer Tür mit der Aufschrift Toilette . »Das kommt häufig vor. In diesem dissoziativen Zustand ist das Basiswissen nicht mehr vorhanden. Hygiene. Bildung. Sprache. Das Kind da drüben zum Beispiel.« Er deutet auf ein blondes, mageres Mädchen von etwa acht Jahren. Die Kleine steht reglos da, mit einem wachsamen Blick, beide Hände erhoben, nur ihre Blickrichtung verändert sich ständig. Plötzlich greift sie blitzartig in die Luft und schließt die Faust. »Hattie ist unsere beste Insektenfängerin.«
    Ich denke an Freddy, der Asseln gegessen hat.
    »Isst sie …« In diesem Moment hält sich das Mädchen die Hand vor den Mund und leckt sie ab.
    »Seltsam, wenn man viel Zeit mit ihnen verbringt, kommt es einem fast normal vor. Entschuldigen Sie mich«, sagt der Professor und greift in die Tasche. »Ein Anruf.« Er entfernt sich ein Stück, um ihn anzunehmen, und hält sich das andere Ohr mit dem Finger zu. Auf der gegenüberliegenden Seite des Spielplatzes geht eine Tür auf, und eine kleine Gestalt tritt heraus.
    »Freddy K!«, rufe ich. Hinter ihm kommt Naomi.
    Er trägt eine rote Uniform, die ihm zu groß ist. Ich hatte erwartet, dass er auf mich zuläuft und mich begrüßt, doch er wendet sich ab und geht zu einigen Kindern, die im Kreis hocken und sich anscheinend auf irgendetwas konzentrieren. Binnen Sekunden wird er in die Gruppe aufgenommen.
    Naomi kommt zu mir, und wir beobachten sie gemeinsam.

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