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Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen

Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen

Titel: Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Barbara u Heidtmann Nolte
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…?
    … ja, wohl wissend, dass die Gründe vorgeschoben waren. Es hieß, der Aufsichtsrat sei nicht ausreichend informiert worden. Das trifft aber nicht zu.
    Schildern Sie uns bitte diesen Tag. Sie saßen morgens am Frühstückstisch und dachten: Heute steht mir was bevor …
    Nö. Ich dachte: Heute entscheidet sich das. Aus.
    Sie waren fatalistisch?
    Nö. Wasser ist nass. Sie können doch nicht Millionen verdienen und dauernd davon reden, dass das ein Ausgleich für das Risiko ist, und sich dann in die Hosen machen, wenn ein Risiko kommt. Das geht doch nicht, oder?
    Wie wahrt man in so einem Moment seine Würde?
    Indem Sie nicht wehleidig werden, nicht wimmern, sondern den Kopf hoch halten, denjenigen, die das verbrochen haben, in die Augen sehen und sagen: Ich weiß, warum Sie das machen. Was Sie sagen, ist alles Mumpitz. Machen Sie, was Sie machen müssen. Ich mache, was ich machen muss. Ich übernehme die politische Verantwortung. Ich gehe hier nicht als geprügelter Hund raus, damit das mal klar ist. Ich war nicht blass, habe sogar eine Rede gehalten. Da bin ich begnadet von der Natur. Sie haben an solch einem Tag keine Zeit, bitter zu sein. Sie sind auf der Bühne: müssen funktionieren. Sie müssen Haltung bewahren. Es war nicht der Moment um auszurasten. Das passte alles nicht.
    Sie mussten Ihre Demission am Bistrotisch vor der Aufsichtsratssitzung unterschreiben. Demütigender geht’s nicht.
    Ich sagte mir: mich beugen die nicht. In dem Moment hat man das sicherere Gefühl: Mein Gott, so ist es jetzt. Es kommt noch ein anderer Tag. Abwarten.
    Wie war der Abend?
    Abendessen. Frankfurt, mit Freunden. Wir haben geredet: über die Intrige, die Funktionäre, wie sie das gedeichselt haben.
    Geschlafen in der Nacht?
    Sehr gut.

Heinrich von Pierer
»Die Diffamierung nimmt in konzentrischen Kreisen um München herum ab«  
    Heinrich von Pierer trägt einen Regenmantel, in dem er fast versinkt, eine graue Seitenscheitelfrisur und eine ovale Brille. Das einzig Bemerkenswerte an seiner äußeren Erscheinung ist, dass jemand, der einmal so viel Macht hatte, so wenig Macht ausstrahlt; dass man Ansehen, was von Pierer früher im Überfluss genoss, einem Menschen nicht unbedingt ansieht: Von Pierer war 13 Jahre Vorstands- und zwei Jahre Aufsichtsratsvorsitzender von Siemens, Berater von Helmut Kohl, Gerhard Schröder, Angela Merkel. Er ist Träger des Bayerischen Verdienstordens und des Bundesverdienstkreuzes, Ehrenbürger und fünffacher Ehrendoktor.
    Dann stellte sich heraus, dass Siemens in seiner Amtszeit als Vorstandsvorsitzender 1 , 4 Milliarden Euro Bestechungsgelder gezahlt hat. Im April 2007 drängte ihn Gerhard Cromme, damals Aufsichtsratsmitglied, heute Aufsichtsratschef von Siemens, aus dem Konzern. Im Jahr darauf schloss Angela Merkel ihn aus dem Rat für Innovation und Wachstum aus, zu dessen Vorsitzenden sie ihn drei Jahre zuvor gemacht hatte. Der Fall von Pierers, sein Fallen-gelassen-Werden, offenbart auch die Kälte der deutschen Machteliten.
    Heinrich von Pierer, 68 mittlerweile, ist ein Mann von vereinnahmender Freundlichkeit. Er gibt sich so ostentativ bescheiden, dass man sich fragt, wo die Härte und die Strenge sind, die in solchen Positionen doch unabdingbar scheinen. Bei den Mitarbeitern der CSU -Mittelstandsvereinigung bedankt sich von Pierer herzlich, er saß für die Partei 18 Jahre im Stadtrat von Erlangen, jetzt haben sie ihm für das Interview ein Büro gestellt. Schräg gegenüber, durch das Fenster, ist die Hauptverwaltung von Siemens zu sehen.

    Wir sitzen am Münchner Odeonsplatz. Gegenüber liegt die Siemens-Zentrale. Was empfinden Sie, wenn Sie auf Ihre alte Arbeitsstelle schauen?
    Mein Gefühl zu Siemens ist jetzt schon etwas distanzierter. Ich darf da drüben ja nicht mal mehr hinein. Ich habe faktisch Hausverbot.
    Alle früheren Aufsichtsratsvorsitzenden haben dort ein gemeinsames Büro.
    Alle außer mir.
    Nicht nur bei Siemens, auch bei der Deutschen Bank, ThyssenKrupp und zuletzt im Frühjahr bei der Münchner Rück sind Sie aus dem Aufsichtsrat verschwunden.
    Das hat natürlich teilweise mit den Vorgängen bei Siemens, aber auch mit meinem Alter zu tun. Ich wirke für Sie vielleicht nicht so alt, aber ich bin nicht mehr ganz jung.
    Sie wirken wie ein Ausgestoßener.
    So schlimm ist es nicht. Die Diffamierung nimmt in konzentrischen Kreisen um München herum ab. Nur wenige Menschen gehen auf Distanz. Manche sind sogar besonders freundlich zu mir, die meisten neutral.
    Der

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