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Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen

Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen

Titel: Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Barbara u Heidtmann Nolte
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unterlegen war, hat man das nicht nach draußen getragen, sondern mitgemacht, sich der Mehrheitsmeinung gefügt. Und wer die Mehrheitsmeinung nicht mehr für tolerabel hielt, musste gehen. Ich hatte einen großen Konflikt, den habe ich damit geregelt, dass ich gegangen bin. Ich habe nicht ein einziges Mal gestritten. Ich war von der Entwicklung enttäuscht, dass in diesem Gremium auf einmal das amerikanische Modell Einzug halten sollte, bei dem der eine Chef der anderen war. Bei der Deutschen Bank gab es damals im Vorstand nur einen Sprecher, der war aber nicht der Chef. Ich habe die Notwendigkeit nicht gesehen, vor dem amerikanischen Investmentbanking, das damals in Mode war, so einen Kotau zu machen. Es hat sich ja auch als wenig nachhaltiges Geschäftsmodell erwiesen.
    Ein Auswuchs des Kapitalismus.
    Die Wallstreet-Banker sind gar keine sauberen Kapitalisten in unserem wohldefinierten Sinne, weil sie die Profite entnehmen, immer entnehmen. Der richtige Kapitalist nimmt ja nicht, der belässt ja. Er lässt die Gewinne stehen. Der richtige Kapitalist ist kein Hedonist, sondern Calvinist.
    Auch die West LB , bei der Sie nach dem Ausscheiden aus der Deutschen Bank Vorstandschef wurden, verlor mit Investmentbanking viel Geld.
    Keiner im internationalen Finanzgeschäft hat es für möglich gehalten, dass aus den USA , dem Land mit den allerdichtesten Kontrollen, Produkte kamen, die schon im Ursprung faul waren. Die Derivate, mit denen wir handelten, waren ja von verschiedenen Institutionen geprüft, bevor sie auf den Markt kamen: von der amerikanischen Bankenaufsicht, der deutschen Bankenaufsicht, den Rating-Agenturen. Wenn Sie sich auf die nicht verlassen können, können Sie gar nichts kaufen. Die Vertragswerke wurden außerdem von Heerscharen von Juristen durchleuchtet, nirgendwo gingen Warnlampen an.
    Sie haben sich in Ihrer Karriere auf Management von Risiko spezialisiert. Das hat Sie nicht davon abgehalten, sich auf den Handel mit Derivaten einzulassen.
    Derivate sind nicht per se riskant, und es ging auch nicht um exotische Renditen von 25 Prozent. Und wo sollten wir damals die Gelder, die wir hatten, anlegen? In Bundesanleihen? Es war Niedrigzinsphase, die Refinanzierungskosten waren so hoch, dass das Geschäft mit Bundesanleihen keine Rendite abwarf. Wollten Sie das Kreditgeschäft verstärken? Mit wem denn? An den Mittelstand haben uns die Sparkassen nur bedingt rangelassen. Und große Firmen sind nicht beliebig vermehrbar. So viele gab es davon nicht. Also suchte die Branche nach den nächstbesten Anlagen mit bester Bonität und nicht unbedingt höchster Rendite. Denn die Renditen lagen meistens nur knapp über denen von Staatsanleihen.
    Können Sie Risiko definieren?
    Risiko ist die Möglichkeit, dass Ereignisse eintreten, die Sie nicht vorhergesehen haben, beziehungsweise Ereignisse, deren Wirkung nicht so ist, wie ich sie vorhergesehen habe. Risiko beginnt mit der Abweichung von Ihren Erwartungen. Die Formel ist: Wirkung mal Eintrittswahrscheinlichkeit. Risikomanager hassen Überraschungen. Unser Albtraum ist, dass Dinge passieren, mit denen wir überhaupt nicht gerechnet haben und nicht rechnen konnten.
    Wie viel Risiko muss man eingehen, um eine große Karriere zu machen?
    Die Möglichkeit des Scheiterns müssen Sie in Betracht ziehen. Sie gehen im Berufsleben kein unkontrollierbares Risiko ein. Sie müssen das Risiko bestimmen, wenn es geht, und dann sehen, ob Sie es sich leisten können.
    Ist das ständige Vermeiden von Risiken Teil Ihrer Persönlichkeit?
    Meine Prägung: Ich war Flüchtlingskind, viel umgezogen. Wir mussten uns immer kämpfend in neuen Milieus bewähren. Das schaffen Sie nur, wenn Sie genau kucken: Mit wem habe ich es zu tun? Mit sehr nüchternem Blick auf die Dinge, keinen Illusionen, einem Schuss Misstrauen, Unrat witternd …
    … Überraschungen hassend.
    Ja. Ich werde nicht gerne überrascht. Wer wird schon gerne unangenehm überrascht. Sie?
    Nein, nicht. Aber der Preis dafür, dass ein Leben nicht ewig gleichförmig ist, sondern einen hin und wieder auch überrascht, ist, dass auch mal eine unangenehme Überraschung dabei ist.
    Ich war der Ansicht, dass ich, wenn ich angenehm leben will, eine Fertigkeit entwickeln muss, Risiken möglichst früh zu erkennen. Insofern war die West LB für mich ein tragisches Ereignis.
    Sie mussten die West LB nach den Fehlspekulation der Bank im Sommer 2008 verlassen. Als Sie damals gehen mussten – war das der schwierigste Tag Ihrer Karriere

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