Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen
Augenblick der Wahrheit.
Halten Sie es für treffend oder übertrieben, wenn Kriegsführung und Unternehmensführung heute häufig gleichgesetzt werden?
Die Modelle, die wir in der Marktwirtschaft praktizieren, sind keine Kriegsmodelle. Da wird ja keiner vernichtet, sondern es sind wettbewerbliche Modelle. Das ist die Weisheit, die heute weitgehend fehlt: Sie müssen die Systeme so arrangieren, dass sich die Wiederholung für alle Beteiligten lohnt.
Clausewitz’ Vom Kriege zählt trotzdem zu den Klassikern der Literatur für Manager. Mittlerweile gibt es hunderte Ratgeber-Bücher für Unternehmensführung. Werden diese Bücher in den Chefetagen gelesen?
Nein, nur Journalisten, Managementliteraturschreiber und Kurserfinder lesen so was. Ich kenne Machiavelli im Original, Marx, ja, auch Clausewitz. Doch ich glaube, dass die meisten Manager viel zu viel arbeiten, um solche Bücher zu lesen. Es gibt wenige Intellektuelle unter ihnen.
Verträgt sich Intellektualität nicht mit Unternehmensführung?
Ich glaube, dass die Dinge kritisch zu hinterfragen, philosophisch zu überhöhen, Sinnfragen zu stellen – ich glaube, dass einen das in einer Welt, die das pure Funktionieren meistens über alles stellt, langsamer macht. Es lässt Sie skrupulös erscheinen, zögerlich, sinnierend. Von außen betrachtet wirkt das wie: nicht entscheidungsfreudig, nicht schnell.
Wie sind Sie damit klargekommen?
Bin ich nicht. Ich glaube, dass sehr viel von der Energie, die sich in das Hinterfragen gebunden hat, vergeudet war. Ich habe sie nicht nutzen können.
Sie fehlt woanders?
Sie fehlt nicht. Es ist ein zusätzlicher Aufwand. Sie ringen mit sich viel häufiger, als andere das tun. Wenn Sie jemand sind, der – ich will jetzt nicht sagen eindimensional, aber auch nicht mehrdimensional – mit sich im Reinen ist, macht Sie das stark. Wenn Sie grübelnd nach Hause gehen und sich fragen, was das alles bedeutet, dann macht Sie das in diesem Beruf nicht besser.
Nachdenken bringt in der Wirtschaft nichts?
Intellektualität bringt Sie nicht weiter. Sie müssen sie unter Kontrolle bringen. Sie darf Sie nicht dominieren, sonst schadet sie. Und Sie müssen sie hüten wie ein teures Geheimnis, sonst fallen Sie unangenehm auf.
Wie müssen Sie sich dann geben? Als tatkräftig?
Chefsein bedeutet, in einer arbeitsteiligen Organisation derjenige zu sein, der am Montagmorgen den Wagen anstößt. Der rollt nicht, wenn Sie ihn nicht schubsen. Einerseits führen Sie eine Truppe in den Kampf. Andererseits kämpfen Sie mit den divergierenden komplexen Interessen innerhalb der Unternehmung. Sie müssen wissen, dass alle, die in ein solches Unternehmen kommen, eigene Interessen haben. Das ist ein komplexes Wechselspiel, bei dem Sie eines ganz sicher nicht sind: der dominierende, alles kontrollierende Chef. Sie dürfen nie glauben, dass etwas aus sich heraus in einer Stabilität ist. Wenn Sie Glück haben, erreicht es mal eine dynamische Stabilität.
Wird der Konkurrenzkampf härter, je weiter man aufsteigt?
Nein. Ich bin jetzt im 62 . Jahr. Die Form variiert, doch im Kern bleibt es das gleiche: es wird nichts zugewiesen, auch nichts verschenkt; wo es etwas zu verteilen gibt, müssen Sie kämpfen.
Sie selbst boxen in Ihrer Freizeit …
… zur Zeit zweimal die Woche.
Gegen Gleichaltrige?
Nein, gegen wesentlich Jüngere.
Ums Boxen ranken sich viele simple Analogien mit dem Leben …
Man gewinnt da nur, wenn man dominiert. Man muss hinkucken, muss die Stärken und Schwächen des Gegners verstehen, man muss wissen, dass man getroffen wird. Das ist nicht ohne Risiko. Der andere kann besser sein.
Man braucht Aggressivität.
Im Schlaf ist noch keiner Meister geworden.
Man muss bereit sein, dem anderen in die Fresse zu hauen, um es mal so grob zu sagen.
Wir hauen uns nicht in die Fresse.
Nun ja doch: Die Schläge zielen fast immer auf den Kopf, soweit wir Boxen richtig verstehen.
Es geht uns um die körperliche Betätigung, wir wollen keinen umbringen. Die Bewegungsabläufe sind hoch komplex. Deshalb hat der Sport auch so viele Literaten fasziniert: es ist ein Kampf nach Regeln.
Wie wurden im Vorstand der Deutschen Bank Konflikte ausgetragen?
Die, die einer Meinung sind, treffen und besprechen sich. Die, die anderer Meinung sind, machen das auch so. Der eine oder andere sucht das Gespräch mit dem Sprecher des Vorstandes und schüttet bei ihm sein Herz aus. So funktioniert das. In Vorstandssitzungen wurde nie einer laut. Undenkbar. Wenn man
Weitere Kostenlose Bücher