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Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen

Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen

Titel: Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Barbara u Heidtmann Nolte
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Schriftsteller Martin Walser hat Sie sogar verteidigt. Er sagte: »Hier ist eine öffentliche Person in den Medien mehr oder weniger zur Hinrichtung präpariert worden, ohne dass wirklich etwas nachzuweisen ist.«
    Ich versuche, das Ganze möglichst emotionsfrei zu sehen. Vorstand und Aufsichtsrat von Siemens haben gegenüber der amerikanischen Börsenaufsicht SEC eine bestimmte Taktik eingeschlagen: Dazu gehört es, möglichst laut zu sagen, was man alles tut, um den Korruptionsvorwürfen nachzugehen. Und die Verantwortlichkeiten des alten Vorstands herauszustellen, die es in der Weise gar nicht gab. Dazu hat man auch die Medien eingesetzt.
    Lesen Sie eigentlich alles über sich?
    Solange ich von Siemens den Pressespiegel bekommen habe, schon. Den kriege ich auch nicht mehr. Das finde ich ziemlich kleinkariert.
    Sie verfolgen die Berichterstattung über Ihren Fall nicht? Das glauben wir nicht.
    Ich setze mich doch nicht jeden Tag zwei Stunden an den Computer, um nachzuspüren, was über mich erschienen ist. Ich lese täglich die FAZ und die Erlanger Zeitung , wie seit meiner Schulzeit schon, außerdem im Flugzeug die Bild -Zeitung, besonders den Sportteil – am liebsten über Bayern München. Kürzlich habe ich mich mit Uli Hoeneß darüber unterhalten. Die sind von der Berichterstattung auch nicht immer so begeistert. Da habe ich gesagt: Mensch, davon lebt ihr doch auch, dass die euch mal angehen. Wenn man Betroffener ist, sieht man das wahrscheinlich anders.
    Kommen Sie mit Hoeneß gut aus? Das ist ja ein ganz anderer Managertyp.
    Wenn die Presse es mal ganz wild getrieben hat, dann war Hoeneß am Telefon. Nicht nur er, auch andere.
    Hoeneß ist loyal.
    Mehr als loyal. Loyal klingt so neutral.
    Aber er ist vom Managertyp her das Gegenteil von Ihnen. Sie sind eher kontrolliert.
    Beim Hoeneß ist vieles kalkuliert. Merken Sie das denn nicht? Das ist doch großartig, wie er das macht! Der nimmt den Druck weg von seiner Mannschaft. Wenn er Ausbrüche hat, muss über ihn geredet werden.
    Haben Sie nie Aggressionen, kalkulierte Ausbrüche eingesetzt, wenn Sie als Vorstandschef etwas erreichen wollten?
    Kein einziges Mal. Das ist auch nicht der Siemens-Stil, der eher zurückhaltend ist.
    Sie waren 38 Jahre im Siemens-Konzern, davon zwölf als Vorstandsvorsitzender und zwei als Aufsichtsratsvorsitzender. Eine große Karriere, einerseits. Auf der anderen Seite steht der größte Schmiergeldskandal, der jemals in einem deutschen Unternehmen aufgedeckt wurde. Was wiegt für Sie im Rückblick schwerer?
    Ich will das nicht bewerten. Ich finde diese ganze Korruptionsgeschichte außerordentlich bedauerlich. Das habe ich mehrfach gesagt. Ich glaube aber, sie wird vorübergehen, und dann werden andere, längerfristige Themen wieder eine Rolle spielen. Wenn ich in der New Economy auf die Finanzmärkte gehört hätte, gäbe es Siemens heute nicht mehr. Damals entstand ein Riesendruck, weil die Finanzmärkte sagten: Medizintechnik und Kraftwerke, verkauft das alte Zeug und Osram gleich mit! Nehmt das Geld und geht in die New Economy, werdet ein »Pure Player«. Und der Druck war groß.
    Sie tun sich noch immer schwer damit, eine Verantwortung für den Korruptionsskandal einzuräumen.
    Nein, ich bin politisch verantwortlich. Deshalb bin ich vom Aufsichtsratsvorsitz zurückgetreten, ich habe mich an der Aufklärung beteiligt. Was soll ich sonst noch tun?
    Persönlich hätten Sie aus heutiger Sicht nichts anders gemacht?
    Aus heutiger Sicht schon: Ich hätte mich nicht nur auf unser umfassendes Regelwerk und die lückenlose Selbstverpflichtung der Mitarbeiter verlassen sollen, wie im Übrigen meine Vorstandskollegen auch. Ich hätte noch mehr mit den Leuten sprechen sollen, die das tägliche Geschäft abgewickelt haben und womöglich von irgendetwas wussten. Doch man kann als Vorstandsvorsitzender nicht einfach Hierarchieebenen übergehen. Damit hätte ich sofort die Autorität der Vorstandskollegen untergraben. Wenn ich mit jemandem weiter unten in der Hierarchie sprechen wollte, musste ich häufig so tun, als wäre ich ihm zufällig begegnet.
    Trotzdem bleibt der Eindruck, dass es bei Siemens einen laxen Umgang mit diesen Fragen gegeben hat.
    Im Nachhinein ist man immer schlauer. Ex ante, aus damaliger Sicht, schienen die Maßnahmen ausreichend. Sie gingen weit darüber hinaus, was andere Unternehmen getan haben.
    Martin Walser erklärt sich die Siemens-Affäre so: »Ich glaube, so ein Unternehmen ist derart konstruiert, dass bis zu

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