Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen
Schlüsselerlebnis war unser Börsengang in den USA . Wir haben eine große Reise gemacht: zwanzig Gespräche mit Finanzanalysten in vier Tagen, in New York, Boston, Denver und San Francisco. Eine Frau von der Investmentbank, die das organisierte, begleitete mich. Nach dem zweiten Gespräch sagte ich: »Das lief doch ganz gut!« – »Was«, hat sie gesagt, die konnte Deutsch, »das lief gut? Wenn Sie so weitermachen, bringen Sie die ganze Roadshow in Gefahr!«
Was war das Problem?
Ich habe meine Aussagen immer etwas relativiert, denn ich bin der Meinung, dass die Dinge auch immer ganz anders kommen können. Warum soll ich mich als jemand darstellen, der alles weiß? Ich erinnere mich noch, wie die Investmentbankerin im Auto zwischen zwei Meetings mit mir, ja, geschimpft hat: Ich müsste mich anders hinsetzen, auf die Ellbogen gestützt, Kopf aufrecht und nach vorne geneigt: energisch und aggressiv. Ich dürfte nicht sagen: »I’m optimistic.« Das sei im Englischen kein gutes Wort, sondern: »I’m confident!« Ich habe noch gedacht: Was die sich rausnimmt! Beim nächsten Treffen habe ich es halt so gemacht, habe mich hingesetzt und eine Story erzählt: »I’m confident and we will do this and that! And we will achieve our goals! Next question, please!« Beim Rausgehen hat sie mir gesagt: »Dass Sie das so schnell lernen, hätte ich nicht gedacht.«
Lernen Sie schnell?
Na, ja. Wenn ich zu Hause bei meinen österreichischen Eltern so aufgetreten wäre wie damals bei der Roadshow in den USA ! Ausgeschlossen! Meine Mutter hat immer gesagt: »Dummheit und Stolz sind aus demselben Holz.« Im Fernsehen hört man das Wort Stolz ständig: Die Menschen loben und brüsten sich selbst.
Sie galten als Deutschlands mächtigster Manager, waren Ratgeber aller Kanzler seit Helmut Kohl, sprachen sogar einmal vor dem UNO -Sicherheitsrat – als bislang einziger Wirtschaftsführer. Darauf sind Sie sicher stolz.
Nein. Wie gesagt: Stolz war bei uns zu Hause ein verbotenes Wort.
Drücken wir es anders aus: Sie freuen sich über Ihre Erfolge.
Ich war positiv gestimmt, wenn etwas gelang, aber ich wusste, am nächsten Tag geht in einem großen Unternehmen gleich wieder was schief.
Sie sind ein sehr guter Tennisspieler. Da zeigt man seine Freude doch immer ostentativ. Wie haben Sie gefeiert, als Sie bayerischer Jugendmeister wurden?
Gar nicht. Ich erinnere mich noch, wie ich allein mit dem Zug von Schweinfurt heim nach Erlangen gefahren bin, den Pokal in der Hand, und gedacht habe: Das war jetzt aber ein schönes Ereignis. Bei meinen Eltern wurde nicht so doll gefeiert. Ich habe nicht mal meine Promotion gefeiert. Ich bin heimgegangen zu meinem Vater und hab gesagt: »Du, heute hat’s geklappt.« Aber das war’s.
Ist Genugtuung vielleicht treffender für das Gefühl, das Sie bei Erfolgen empfinden?
Auch so ein komisches Wort. Was mir richtig Freude macht: Ich bin ein großer Schwammerlsucher, und wenn ich einen schönen Steinpilz finde, dann löst das Freude aus.
Sie geben sich immer als besonders artig …
… bodenständig.
Ja, aber fast schon harmlos: eben als Schwammerlsucher. Einer Journalistin von der Zeit haben Sie sogar eine Tüte Radieschen mitgebracht.
Sie kaufen auf dem Markt ja häufig nur dieses schon einige Tage alte Gummizeug. Die Radieschen aus meinem Garten sind sehr knackig und aromatisch. Biologischer Anbau. Und es war gerade Erntezeit. Meine Frau und ich könnten das gar nicht allein essen.
Uns geht es darum, dass Sie gärtnern.
Schon von klein an. Im Schrebergarten meiner Eltern durfte jedes Kind ein Beet bepflanzen. Seitdem ich eine eigene Familie habe, bin ich aber nur noch für den Gemüseteil zuständig. Und zugegeben: mehr fürs Pflanzen als fürs Pflegen.
Ist das auch Ihre Arbeitsauffassung, eher Pflanzen als Pflegen?
Nein. Es ist umgekehrt. Aber weil ich so viel im Beruf unterwegs war, konnte ich nicht jeden Tag gießen. Ein heißer Tag, und alles ist vertrocknet. Aber ich zupfe Unkraut, das schon.
Hatten Sie nie mal die Sehnsucht, über die Stränge zu schlagen?
Was für eine Frage. Ich habe beobachtet, dass es nie zu etwas führte, wenn jemand einen unkontrollierten Ausbruch hatte. Ich saß ja immerhin 18 Jahre für die CSU im Stadtrat von Erlangen, da habe ich mich auch ab und zu mal ziemlich schlimm aufgeführt. Das war immer falsch. Weil die anderen hinterher zu dir sagen: »Warum hast du das gemacht?« Das nimmt den Argumenten ihre Wirksamkeit.
Wollten Sie nie mal ein bisschen ein
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