Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen
paar dutzend Mitarbeiter in China. Heute sind es über 40 000 . Und in den USA erfolgte eine ähnliche Entwicklung. Die letzte mir bekannte Mitarbeiterzahl lag dort bei 70 000 . So ein Aufbau geht nicht vom Schreibtisch aus, da muss man schon aktiv sein.
Was heißt das, aktiv sein?
In unserem Geschäft läuft vieles über persönliche Kontakte. In Abu Dhabi wartete zum Beispiel einmal einer der dortigen Scheichs extra am Flughafen auf mich. Der kam gerade von der Falkenjagd. Wir haben überhaupt nicht über das Geschäft geredet. Mir wurde später erzählt, wie er nach unserem Treffen zu seinen Leuten gesagt hat: Sympathischer Kerl, gibt es irgendeinen Auftrag, den wir Siemens geben können? Dann bekamen wir ein Krankenhaus über 40 Millionen.
Über was haben Sie denn geredet?
Über die Falken, über Politik, über Israel, den Iran, Deutschland. Offenbar habe ich den richtigen Ton gefunden. Man darf dort nicht zu unterwürfig erscheinen und nicht zu selbstbewusst. Ich konnte bei den Gesprächen eine Menge lernen.
Mussten Sie erst lernen, sich in dieser Welt zu bewegen?
Ja, aber es war nicht so schwer. Die Grundregel ist, erst einmal zuzuhören. Was nicht unbedingt eine deutsche Eigenschaft ist. Wir gehen lieber hin und sagen: Wir haben heute fünf Punkte, die wir erledigen wollen. Und fangen gleich mit Punkt eins an. Für die Franzosen müssen wir manchmal unerträglich sein. Wir reisen in der Früh an. Dann haben wir schon gar keine Zeit, mit denen richtig zum Essen zu gehen. Stattdessen wollen wir unsere fünf Punkte abhandeln. Und wenn der Franzose sagt: »Jetzt gehen wir noch zum Abendessen«, dann sagt der Deutsche: »Nein, mein Flieger geht um sechs«.
Und dann fliegt man raus, und der Stress ist plötzlich weg – fehlt er Ihnen?
Es ist eine Umstellung, aber die trifft alle Leute, die in Pension gehen. Bei Siemens habe ich viele erlebt, auch Vorstände, die ähnlich viel gearbeitet haben wie ich und von einem Tag auf den anderen auf null gestellt waren.
Sie sind jetzt Honorarprofessor an der Nürnberger Universität.
Ja, dort gebe ich ein Seminar. Das letzte Rahmenthema lautete: Management in der Krise, mit praktischen Beispielen wie Arcandor, Deutsche Bank, Daimler, Thyssen-Krupp. Außerdem berate ich einige Unternehmen und sitze im Aufsichtsrat von Hochtief und bei dem türkischen Konzern KOC . Ich bin gut beschäftigt.
Es heißt, Ihre Studenten dürften Sie alles fragen – auch über Siemens.
Es gibt am Ende eine Fragestunde nach dem Motto: Alles, was Sie schon immer einmal wissen wollten. Da geht es auch schon mal um die Bestechungsvorwürfe.
Halten Sie das Bußgeld von einer Milliarde für angemessen, das Siemens in den USA zahlen muss?
Ich kann nicht bewerten, was in den USA möglich gewesen wäre. Die Börsenaufsicht SEC ist natürlich angeschlagen. Die kann zur Zeit schwerlich ein ausländisches Unternehmen, dessen Korruptionsfälle im Grunde gar nicht in den USA stattgefunden haben, sondern ganz woanders, in den Mittelpunkt ihrer Anstrengungen stellen, wenn die Banken vor ihrer Haustür diese gewaltige Kreditkrise ausgelöst haben. Aber wie der Betrag zustande gekommen ist, entzieht sich meiner Kenntnis.
Wären die Schmiergeldzahlungen ein Jahr später herausgekommen, wären sie womöglich gar nicht zur Affäre geworden. Sie hatten Pech.
Nein, nein. Ich fand es schon gut, dass alles so früh wie möglich herauskam.
Ihre beiden Söhne arbeiten bei Siemens. Haben die nie darüber nachgedacht, dort aufzuhören?
Nein, beide sind in der Medizintechnik. Dort war schon ihr Großvater, die Geschichten, die er erzählte, haben sie immer fasziniert. Außerdem arbeitet einer in Amerika, da spielt mein Fall überhaupt keine Rolle.
Welchen persönlichen Schluss ziehen Sie aus den vergangenen beiden Jahren?
Man muss aufpassen, dass man auf seine alten Tage nicht zynisch wird. Aber ich bleibe ein optimistischer Mensch, der sich am Leben freut.
Margret Suckale
»Von Frauen höre ich: ›Wir bedauern dich‹«
Margret Suckale war zeitweise allein unter 533 Männern: Die einzige Frau in einem Vorstand der hundert umsatzstärksten Unternehmen Deutschlands.
Margret Suckale trägt einen Regenmantel, Pumps und zieht einen Rollenkoffer durch das Foyer des Bahn-Towers am Leipziger Platz in Berlin. Groß ist sie. Sehr schlank. Sie lächelt, als man sie anspricht, und zieht dabei die Nase kraus. So hat man sie noch nie gesehen. Dafür war der Anlass immer viel zu ernst, zu dem sie im Fernsehen
Weitere Kostenlose Bücher