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Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen

Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen

Titel: Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Barbara u Heidtmann Nolte
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genau: Wenn wir die Fabrik jemals schließen müssen, dann kommen die Bilder wieder, denn die Journalisten erinnern sich: Der hat damals eine schöne Rede gehalten, in der er den 50 -jährigen Hochzeitstag der Königin erwähnte, vorher natürlich abgestimmt mit dem Buckingham Palace. Ich wusste nicht, ob das nicht zu privat ist. Ja, selbstverständlich dürfen Sie das erwähnen, hieß es aus dem Palast. Da freut sich die Königin, und der Prinz Philip freut sich auch. Sie gratulieren, alle strahlen – wunderbar! Und zwölf Monate später müssen Sie die Anlage mit riesigen Verlusten zumachen. Das ist schon eine etwas größere Niederlage.
    Wissen Sie, wie viele Menschen Sie in Ihrem Leben insgesamt entlassen haben?
    Nein. Entlassen hört sich auch so an, als würde einer gekündigt. So war es nur ganz selten. Das Wort Personalabbau mag ich auch nicht. Das klingt immer so, als ob Leute abgebaut werden.
    Freistellen?
    Auch ein schreckliches Wort. Alle Worte sind schrecklich.
    Sie haben einmal von der Optimierung der globalen Wertschöpfungskette gesprochen. Das heißt doch nichts anderes: Arbeiter in Deutschland haben am Ende keinen Job mehr.
    Das ist mir zu einfach. Vier Arbeitsplätze in China sichern einen Arbeitsplatz in Deutschland. Das ist eine Faustregel, mit der die Automobilindustrie kalkuliert. Bei uns hat sie auch gestimmt. Der Gewinn wird längst zu einem großen Teil woanders verdient, und wir behandeln die Ausländer sowieso schon schlechter. Die Ausländer müssen teilweise unsere Pensionen verdienen, wenn man das mal ganz nüchtern sagt.
    Sie sagten mal: Ich muss ja Kapitalist sein. Warum eigentlich?
    Ich habe gesagt: Ich muss ja auch Kapitalist sein, Betonung auf dem »auch«.
    Aber es zwingt Sie doch keiner dazu, Kapitalist zu sein.
    Ich finde, unser marktwirtschaftliches System gibt einem genug Spielraum. Es ist nur eine Frage, wie Sie es handhaben.
    Sie gelten selbst als Rationalisierer. In Ihrem Handywerk in Kamp-Lintfort hatten Sie die Arbeitszeit von 35 auf 40 Wochenstunden heraufgesetzt, ohne Lohnausgleich – das war der Anfang vom Ende der 35 -Stunden-Woche in ganz Deutschland.
    Mir hat das auch nicht gefallen, die IG Metall nimmt mir das bis heute übel. Aber es war keine ideologische Frage. Der zuständige Siemens-Bereich wollte die Arbeitsplätze nach Ungarn verlagern, ich wollte das verhindern. Ich bin der Meinung, dass es schwierig ist, Menschen Geld wegzunehmen. Jeder hat sich auf einen bestimmten Betrag eingestellt, jeder hat seine persönlichen Umstände. Aber für denselben Lohn länger zu arbeiten finde ich prinzipiell zumutbar. Ich arbeitete damals im Übrigen 70 , 80 Stunden die Woche.
    Dafür haben Sie in Ihrem letzten Jahr als Vorstandsvorsitzender auch vier Millionen Euro verdient – das ist das Hundertfache eines Siemens-Arbeiters.
    Mein letztes Jahr war ein sehr ertragreiches Jahr für Siemens. Sonst waren es eher 2 , 5 Millionen. Ich habe als Vorstand mit 300 000 oder 400 000 Mark begonnen. Heute verdient ein Siemens-Vorstand zehn Millionen Euro – das ist eine ganz andere Liga. Damals sagte mir der Aufsichtsratsvorsitzende: Passen Sie auf, an Ihrem Gehalt werde ich erstmal nichts ändern. Ich bin überhaupt nicht auf die Idee gekommen, mit ihm darüber zu debattieren. Man hätte mir im Übrigen das doppelte, auch dreifache Gehalt bieten können, ich hätte Siemens nie verlassen.
    Wie sah ein typischer Tag als Vorstandsvorsitzender aus?
    Um sechs, halb sieben bin ich aufgestanden. Ich fing nie später als sieben Uhr in der Früh an zu arbeiten, die erste Stunde saß ich an meinem Schreibtisch in meiner kleinen Wohnung in München. Abends habe ich um zehn, halb elf aufgehört, so viel ich auch zu tun hatte. Sonst konnte ich nicht schlafen. Ich konnte nicht einfach die Akten zumachen und ins Bett gehen. Man hat den ganzen Tag irgendwelche Leute um einen herum. Immer ist irgendeine Besprechung, immer irgendwas unerledigt, viele, viele Telefongespräche, dazu noch die Kunden, die wollen auch immer noch etwas. Und dann fragten mich Journalisten manchmal: Bilden Sie auch die richtigen Prioritäten? Dann sagte ich: Zehn Punkte hatte ich heute. Sagen Sie mir mal, welches die richtige Priorität gewesen wäre.
    Die Kritik richtete sich damals gegen Ihre vielen Auslandsreisen.
    Das habe ich wirklich noch nie gehört. In meiner Zeit ist aus einem vorwiegend deutschen ein globales Unternehmen geworden. Nur zwei Beispiele: Als ich als Vorstandsvorsitzender 1992 begann, hatten wir ein

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