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Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen

Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen

Titel: Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Barbara u Heidtmann Nolte
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draufgängerischer Typ sein? Jack Welch, der zu Ihrer Zeit Chef von General Electric war und mit seinem harten Führungsstil das Managerideal prägte, liebt schnelles Autofahren.
    Ich nicht. Meine Reisegeschwindigkeit ist maximal 160 Kilometer die Stunde, was mit einem Audi Avant nicht sehr schnell ist.
    Die Frage ist: Wie bodenständig, artig, integer kann man bleiben, wenn man – von den aktuellen Vorwürfen abgesehen – an der Spitze eines Weltkonzerns steht? Handelten Sie nicht eigentlich genauso wie Jack Welch, stellten sich nur anders dar?
    Nein, mich hat noch niemand »Neutronen-Heinrich« genannt. Kennen Sie das Wort: »Neutron Jack?« Wissen Sie, warum er so genannt wurde? Der ging durch die Fabriken: Die Wände blieben stehen, die Menschen waren weg, wie nach einer Neutronenbombe. Jack Welch hat auch gesagt: Wenn Sie zehn Leute in ihrer Abteilung haben, müssen Sie immer den Schwächsten rausschmeißen. Und zwar überall. Aus Prinzip. Ich halte das für falsch. Weil: Sie können ja auch mal zehn Gute haben.
    Die Aussage dahinter ist: Es gibt keine zehn Guten.
    Es gibt immer einen, der der Schlechteste ist, und der muss raus. Dann haben Sie sich verbessert. Das ist natürlich brutal.
    Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?
    Ich glaube, dass auch in einer Spitzenposition eine Demutshaltung hilfreich ist. Ich war lange bei Siemens für den Umgang mit Energieversorgungsunternehmen zuständig: für die Bayernwerke, Veba, heute Eon, RWE und andere. Die traten immer sehr fordernd auf. Immer war irgendwas bei uns nicht in Ordnung. Wenn Sie ein Kraftwerk bauen, gibt es immer irgendetwas, was nicht auf Anhieb klappt. Das ist eben komplex. Im Zweifel waren wir im Zeitverzug. Und dann werden Sie auch mal nach allen Regeln der Kunst beschimpft. Und wehe, Sie widersprechen. Je weiter man nach Norden kam, desto demütiger musste man sich geben. Da habe ich viel gelernt.
    Und wie haben Sie die Kunden beschwichtigt?
    Man sitzt da, senkt den Kopf – das konnte ich als Vorstandsvorsitzender auch gut. Man wartet ein bisschen ab und wendet dann die indirekte Methode an. Eines der Seminare bei Siemens, bei denen ich wirklich etwas gelernt habe, hielt Wolfgang Salewski, der damals in Mogadischu mit den RAF -Terroristen verhandelt hat. Salewski sagt: Wenn einer mit Ihnen auf Konfliktkurs geht, sagen Sie nie Nein, sondern geben Sie ihm erst einmal das Gefühl, dass Sie ihn ernst nehmen. Lassen Sie ihn reden. Dann müssen Sie irgendwann anfangen Fragen zu stellen. Sie haben ja nicht ewig Zeit. Alle Wie-Fragen sind erlaubt, Warum-Fragen sind dagegen verboten. »Warum« ist psychologisch eine Aggression.
    Weil »Warum« ein pauschales Unverständnis signalisiert?
    Ja, »Warum« stellt alles in Frage. Stattdessen müssen Sie sagen: Ja, ich habe verstanden. Wie könnte jetzt eine Lösung aussehen? In welche Richtung wollen wir gehen? Wenn Sie sich daran halten, so nach einer Dreiviertelstunde, werden auch die schwierigsten Kunden ganz normal und konstruktiv.
    Demut ist nicht die Eigenschaft, die man mit modernen Managern verbindet.
    Das zur Schau getragene Selbstbewusstsein war eine Unsitte in der New Economy – und wo sind ihre Großsprecher jetzt? Gerade als Vorstandsvorsitzender bekommen Sie doch zu spüren, dass das Leben nicht nur aus Siegen besteht, sondern aus vielen, vielen Niederlagen, kleinen und großen. Es gibt jeden Tag welche. Wenn die Stimmung mal sehr gut war, musste ich nur in der Früh drei Leute anrufen und mir berichten lassen, was ihre Projekte machen. Ich wusste genau, wen. Dann war die Stimmung wieder auf normal.
    Was hat Sie daran gestört, wenn die Stimmung einmal gut war?
    Man darf nicht abheben. Das lernt man im Sport. Wenn ich im Tennis gedacht habe »Jetzt habe ich den!«, dann konnte ich mit Sicherheit davon ausgehen, dass das schlecht ausgehen würde. Das kann man aufs Geschäft übertragen: Ein Auftrag ist erst dann da, wenn die Anzahlung auf dem Konto ist.
    Wie geht man mit Niederlagen um? Muss man versuchen, sie einzuordnen?
    Es gibt es schon größere Niederlagen, da ist das ein bisschen schwer mit dem Einordnen. Da muss man schon aufpassen, dass man nicht plötzlich in einen Strudel reinkommt, der einen mit wegreißt.
    Zum Beispiel?
    North Tyneside, unsere englische Chipfabrik, die wir bald wieder schließen mussten. Ein Prestigeprojekt, 1 , 2 Milliarden Mark teuer. Zusammen mit der Königin habe ich die Fabrik eröffnet. Die Zeitungen waren damals voller schöner Bilder, und Sie wissen

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