Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen
Richtungen. Ich sage immer: Ihr seid Sektierer. Habt ihr keine anderen Probleme?
Hilft Freud, Menschen in Führungspositionen zu verstehen?
Freud hilft mir da schon. Die von ihm analysierten Verhaltensmuster hören ja nicht bei einer bestimmten Gehaltsklasse auf.
Ihr Vater sprach im Hinblick auf die Nachkriegsgeneration einmal vom »verschütteten Gemüt« – ein Begriff, der auch auf Manager zuzutreffen scheint.
Manche Manager spielen sich selbst. Eine Selbststilisierung hat immer etwas Kalkuliertes, Kaltes. Gemüt zu zeigen ist etwas Unverstelltes.
Ein Coach, der anonym bleiben wollte, analysierte in der Süddeutschen Zeitung Manager als »geplagt von Verlustängsten; Verlust von Bedeutung, Verlust von Geld«. Je mehr Bedeutung einer habe, je mehr Geld, desto größer sei seine Angst. Deswegen empfänden es Manager als Katastrophe, wenn statt sehr hoher nur noch hohe Boni ausbezahlt würden.
Das trifft vielleicht für die Investmentbanker zu. Bei denen ist der Bonus sozusagen das Lebensziel, und wenn das Lebensziel auf einmal nur noch halb so groß ist, ist das natürlich nicht so schön. Aber in der normalen Industrie weiß jeder: Wenn wir kein Geld verdienen, gibt es für jeden weniger.
Sonst können Sie mit der Charakterisierung des Coaches wenig anfangen?
Ich glaube, dass die meisten Leute, auf allen Hierarchieebenen, gerne bedeutend sein und viel Geld verdienen wollen. Ob sich das nach oben potenziert? Nee.
Dass die Angst weiter oben größer ist, weil die Fallhöhe größer wird – das würde doch einleuchten.
Glaube ich nicht. Natürlich haben auch Manager Ängste. Aber darunter leiden vor allem diejenigen, die über die Stufe hinaus befördert worden sind, die sie bewältigen können. Das ist ein klassisches psychoanalytisches Muster: Die Menschen werden unsicher, wenn sie merken, dass sie einer Aufgabe nicht gewachsen sind. Die Unsicherheit wird dann durch besonders autoritäres Gehabe kompensiert.
Psychoanalyse und Management sind zwei gegensätzliche Welten: Freud interessierte sich für das Irrationale, in der Wirtschaft interessiert man sich für die ökonomische Rationalität.
Aber die Wirtschaft besteht doch aus Menschen, und mit den Menschen kommt ihre ganze Irrationalität in die Wirtschaft hinein. Gutes Management muss damit umgehen. Emotionalität ist ja schön, aber Irrationalität ist immer schlecht, weil andere sie nicht verstehen. Irrationalität überlagert Entscheidungen: Da ist sich jemand unsicher oder will sich oder jemand anderem irgendwas beweisen. Diese Irrationalität muss man auflösen.
Wie soll das gehen?
Man muss ein Klima schaffen, in dem Argumente zählen und in dem sich die Mitarbeiter entfalten können. Wir haben hier bei MAN Ferrostaal in den letzten Jahren umfangreiche Coaching-Programme aufgebaut: Wir haben zwei Amerikaner, die arbeiten viel mit Videoaufzeichnungen. Wenn die Leute sich selbst sehen, begreifen sie manchmal, wie sie auf andere wirken. Wir können die Persönlichkeiten der Mitarbeiter nicht ändern, aber man kann ihnen ihre Schwächen klarmachen, damit bei ihnen in bestimmten Momenten eine rote Lampe angeht.
Man kann das Coaching auch kritisch sehen: Es handelt sich dabei um eine Instrumentalisierung der Psychologie.
Das sehe ich nicht so. Bei unserem Coaching geht es auch mehr um eine Konditionierung des Verhaltens. Da macht keiner einen tiefen Bewusstseinsprozess durch. Ich rede mit den Coaches vorher, gerade bei Vorständen oder anderen Führungskräften, mit denen wir Kommunikationstraining machen: »Kuckt euch das mal an. Da braucht er meines Erachtens Unterstützung.«
Lassen Sie sich selbst coachen?
Nein.
Haben Sie mal eine Psychoanalyse gemacht?
Auch nicht. Eine Analyse ist nur dann sinnvoll, wenn man mit sich nicht wirklich im Reinen ist. Man braucht Themen, an denen man arbeitet. Sonst hat man ein schönes Gespräch, zahlt viel Geld und hat nur den Analytiker schlauer gemacht.
Verdrängte Konflikte, die die Psychoanalyse aufarbeiten will, können auch ein unglaublicher Motor für Karrieren sein. Zurücksetzung, Demütigungen in Kindheit und Pubertät setzen doch bei manchen enorme Energie frei, die einem Arbeitgeber nutzt.
Menschen, die sich mit Brachialgewalt nach oben arbeiten – das sind Extremfälle. Wenn so jemand richtig eingesetzt wird, ist er natürlich toll für ein Unternehmen. Aber er ist auch gefährlich. Mittelfristig muss man diese Motivation wieder einfangen, einbinden in ein größeres Ganzes, das
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