Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen
längerfristig angelegt ist.
Entspricht dieser Menschentyp nicht genau dem amerikanischen Managerideal?
Ja. Aber man sieht jetzt, was daraus geworden ist. Die amerikanische Wirtschaft ist enorm hierarchisch ausgerichtet. Mit Leuten, die da ihre Egotrips ausleben. Geld als ein Wert an sich. Das kommt solchen Leuten dann natürlich zugute.
Schon Fritz-Aurel Goergen, ein großer deutscher Manager der Nachkriegszeit, sagte von sich: »Ich bin ein brutaler Hund.«
Es gab dieses Bild schon immer, doch ich kann damit einfach nichts anfangen, weil ich gar nicht weiß, was die Aussage soll. Wenn einer sagt »ich bin konsequent«, ist das etwas anderes. »Ich dulde dieses nicht, ich dulde jenes nicht« – und dann wird einer rausgeschmissen. Kann ich alles noch nachvollziehen. Wer konsequent ist, hat Werte, die er verfolgt. Aber einfach zu sagen: »Ich bin ein ganz Harter!« …
… offensichtlich begreift Ihr Berufsstand das als schmückend.
Bei mir gehen da die Antennen hoch. Das heißt doch nur: Wahrscheinlich ist der sehr autoritär und lässt keine anderen Meinungen gelten. Im Management ist es jedoch wenig zielführend, wenn einer glaubt, er habe die Weisheit gefressen, und allen anderen vorschreibt, was zu passieren hat. Die machen das dann vermutlich. Aber vielleicht sind da noch ein paar tausend andere Mitarbeiter, die auch gute Ideen haben.
Sie reden, als wären Sie Lehrer.
Als Manager muss ich doch so viel Intelligenz aus einem Unternehmen ziehen wie möglich. Dafür hat man ja Mitarbeiter.
Haben Sie Unternehmer in der Familie?
Mein Großvater hatte eine Zellstofffabrik, die aber pleiteging. Der war nicht sehr erfolgreich.
Wie waren Unternehmer in Ihrem linksintellektuellen Elternhaus beleumundet: Waren sie das Feindbild?
Eindeutig. Bei meinem Vater wahrscheinlich weniger als bei mir. Unternehmer mussten entweder enteignet oder sonst was werden. Heute sehe ich das natürlich etwas anders.
Theodor W. Adorno soll bei Ihnen am Esstisch gesessen haben.
Da saß ich meistens nicht dabei. Das war nicht wirklich was für Kinder.
Ihr Vater war der Held der Studenten Ihrer Generation. Es war bestimmt nicht immer leicht mit einem Namen wie Ihrem an einer deutschen Universität.
Ich habe mich von meinem Vater abgegrenzt, indem ich noch radikalere Positionen einnahm. Ich war damals in Gießen stellvertretender Vorsitzender des Sozialistischen Hochschulbundes. »Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will.« So lauteten unsere Parolen. Das Management war unserer Ansicht nach nur zum Gewinnabschöpfen da. Im Nachhinein fragt man sich, wie man eigentlich mit einer durchschnittlichen Intelligenz so blöde Sachen sagen konnte. Es war idealistisch gemeint. Man wollte alles besser machen. Alles sollte toller werden.
Trifft der alte Spruch auf Sie zu: »Wer in der Jugend nicht links ist, hat kein Herz. Wer mit 40 immer noch links ist, hat keinen Verstand«?
Ich wehre mich gegen diesen Spruch, weil er in der Regel von Leuten gesagt wird, die in der Jugend genauso konservativ waren wie später. Menschen, die überhaupt keine Entwicklung durchlaufen haben. Ich glaube, dass einem ein Teil der Persönlichkeit fehlt, wenn man in der Jugend nicht versucht hat, neue Wege zu gehen. Das muss nicht politisch sein. Man kann auch jahrelang durch die Welt ziehen.
Warum haben Sie eigentlich nicht Psychologie studiert?
Bei meinen Eltern wäre ich als Psychologe völlig verraten gewesen. Da hätte ich schon Freud II werden müssen, um mich aus ihrem Schatten zu lösen.
Es scheint ein langer Weg: vom linken Studenten zum Anwalt und schließlich zum Unternehmer. Wie verlief diese Entwicklung?
Über Diskussionen. Ich wollte die Ideen, die ich auch in meinem Elternhaus aufgesogen habe, in die Welt tragen. Ein wenig als Trojanisches Pferd agieren. Das war mein Motiv.
Ihre Eltern die Denker, Sie der Macher.
Das wäre zu einfach. Mein Vater war ein extremer Macher. Er konnte nicht einmal einen Krimi lesen, das war für ihn Zeitverschwendung. Er musste in jeder Sekunde etwas Sinnvolles tun. Ich glaube, letztlich ist er einfach an diesem absoluten, selbst auferlegten Stress kaputtgegangen. Er war in gewisser Weise überaus hungrig nach Anerkennung, weil er davon in seiner Kindheit sehr wenig bekommen hat. Er wurde in einem superkonservativen Elternhaus groß: Sein Vater hat seine Mutter irgendwann einmal um den Tisch gejagt. Mein Vater ist, glaube ich, schon ein bisschen traumatisiert worden. Aber er wollte auch Dinge
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