Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen
kein Preis. Wir bauen weltweit Industrieanlagen. Wir machen Projektarbeit, bieten maßgeschneiderte Lösungen. Das Internationale liegt mir. Die verschiedenen Kulturen, mit denen man umgehen muss. Ich setze zum Beispiel einen peruanischen Psychoanalytiker ein, der bei meinen Eltern ausgebildet wurde, hier promoviert hat und zeitweise den früheren peruanischen Präsidenten in sozialen Konflikten beraten hat. Der besucht alle unsere Organisationen und macht dort Workshops, in denen den Mitarbeitern Perspektiven aufgezeigt werden. Er ist ein menschlich sehr kompetenter Typ, dem sich die Leute öffnen. Ich merke schon, dass die Mitarbeiter mehr Ideen haben. Ich bin überzeugt, in wenigen Jahren wird sich daraus ein gutes Geschäft ergeben. Ich wüsste wenige Unternehmen, bei denen so etwas möglich und sinnvoll wäre.
Sie lassen sich vom Philosophen Jürgen Habermas beraten.
Beraten, das klingt ein bisschen hoch gegriffen. Ich diskutiere mit ihm, seitdem ich 16 , 17 bin. Es ging erst viel darum, welchen Lebensweg ich einschlagen wollte. Mann muss ja irgendwo sein Geld verdienen. Aber ich wollte auch immer irgendwas Vernünftiges zur Welt beitragen. Ich weiß nicht, ob das meinen Ansprüchen genügen würde, wenn ich beispielsweise Plastikenten herstellen würde.
Um was drehen sich Ihre Diskussionen heute?
Um Tagespolitik, Persönliches, Theoretisches. Ich glaube, ihn interessiert, wie sich seine Themen für jemanden darstellen, der ganz handfest arbeitet.
Habermas geht es, wenn man seine Theorie grob zusammenfasst, um den herrschaftsfreien Diskurs. Doch in einem Unternehmen ist der Diskurs doch nie wirklich herrschaftsfrei, egal wie offen man die Debatten führt. Als Manager sind letztlich Sie derjenige, der das Sagen hat.
Das ist einer unserer Diskussionspunkte. Ich bin der Meinung, dass es eine durchaus herrschaftsfreie Diskussion auch in Unternehmen geben kann. Das hängt natürlich auch von den Teilnehmern ab. Wenn einer gleich so eingeschüchtert ist, dass er sich gar nicht mehr traut, offen zu reden, kommen Sie natürlich nicht weiter.
»Durchaus herrschaftsfrei« – eine Einschränkung, die Habermas sicher nicht gelten lassen würde.
Er muss seine Kompromisse eben nur auf dem Papier machen und ich in der Realität. Ich kann doch nicht aus reinem Idealismus ein wunderschönes Unternehmen schaffen, das dann in ein paar Jahren pleite ist. Ich muss auf Profitabilität achten. Je profitabler mein Unternehmen ist, desto mehr Handlungsfreiheit bekomme ich von meinen Aktionären – und kann etwas Sinnvolles damit tun.
Sie sind sehr pragmatisch.
Ja. Ich habe mir nie eingebildet, dass ich die gesamte Gesellschaft oder gar den Menschen ändern könnte.
Sie kritisierten eben einen in Ihren Augen überkommenen Managertypus. Wenn der Mensch sich nicht ändern kann, wie soll sich dann der Manager ändern?
Das ist ja schon eine Frage der Ausbildung. Wenn man konditioniert wird auf bestimmte Verhaltensstrukturen, wird man im Zweifel auch so agieren. Mein ältester Sohn studiert Betriebswirtschaft an der Frankfurt School of Finance. Die Studenten machen dort Auslandssemester, was schon irgendwie den Horizont erweitert. Dennoch: Bedenklich finde ich an dem Lehrangebot dort, dass alles nützlich sein muss. Und das Nützliche ist eben das Kurzfristige. Man denkt viel zu kurzfristig heute.
Ihr Sohn will Banker werden?
Er wollte immer viel Geld verdienen, aber nicht so viel arbeiten wie ich, hat er mir erklärt.
Und da haben Sie ihm das Investmentbanking empfohlen?
Er wollte schon immer Banker werden, doch mittlerweile möchte er das gar nicht mehr so sehr. Der merkt jetzt, dass die auch wahnsinnig viel arbeiten müssen.
Banker stehen zurzeit unter besonderem Druck.
Gegen alle Manager ist ein enormer Druck aufgebaut worden, auch durch die neuen Gesetze zur persönlichen Haftung. Der Druck ist allerdings kontraproduktiv, weil die Leute immer unsicherer werden und immer konformer handeln. Und die wirklich Guten sagen: »Warum soll ich mir das alles antun? Warum soll ich mir da permanent Vorschriften machen lassen? Ich arbeite von morgens bis abends, ich muss Entscheidungen treffen, und wenn ich mal einen Fehler mache, werde ich persönlich zur Verantwortung gezogen.« Das geht zu weit.
Aber die Krise muss doch Konsequenzen für diejenigen haben, die sie verursacht haben.
Zur Krise gehört auch eine Gesellschaft, die sich das alles hat gefallen lassen. Die Auswüchse gab es doch schon länger. Es hat nur niemand
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