Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen
vorantreiben. Er hat bereits mit 22 Jahren in einer Zeitschrift geschrieben, die von Thomas Mann herausgegeben wurde. Dann die ganze Nachkriegszeit mit dem Prozess gegen die Nazi-Ärzte, den er als Beobachter verfolgt hat.
Ihr Vater hat ein Buch über die Ärzte und deren Menschenversuche geschrieben, der Prozess muss ein prägendes Erlebnis gewesen sein. Hat er oft davon gesprochen?
Ja. Furchtbar. Obwohl er gar nicht so oft da war, wie er immer behauptet hat. Das entnehme ich zumindest einer Biografie über ihn, die ich gerade lese. Oft hat er offenbar seinen Assistenten, den Herrn Mielke, dahin geschickt. Der hat sich dann immer bitter beschwert.
Wie wurden Sie in der Wirtschaftswelt aufgenommen mit Ihrem familiären Hintergrund und Ihrer Vergangenheit im Sozialistischen Hochschulbund? Für viele dort muss das befremdlich gewesen sein.
Ich kam immer gut klar. Man meint oft, man müsse in Schablonen passen. Doch man muss sich selbst keine Fesseln auferlegen, die gar nicht nötig sind. Natürlich braucht man gewisse Höflichkeitsformen. Ich meine, wenn ich Frau Merkel einfach so auf die Schulter klopfen würde, käme das vielleicht nicht so gut an, aber mit den meisten Leuten kann man völlig normal reden.
Sind Sie mit anderen Managern bekannt oder befreundet?
Ich bin mit vielen gut bekannt. Man lästert ja heute immer über die »Deutschland AG «. Dabei haben die Vernetzungen zwischen den wesentlichen deutschen Unternehmen das System lange Zeit stabilisiert, und eine Art »Ruhrgebiet AG « gibt es immer noch. Jürgen Großmann, den Vorstandsvorsitzenden von RWE , Wilhelm Bonse-Geuking von Evonik, Ekkehard Schulz von ThyssenKrupp kenne ich wirklich sehr gut. Mit einigen Managerkollegen spielt man auch mal Golf zusammen.
Sie spielen Golf?
Ja. Früher wurde viel unter der Woche gegolft, weshalb ich nie teilnehmen konnte, weil ich es nie geschafft habe, mir einen Tag freizuschaufeln. Heute golft man nicht mehr so viel, aber wir sind noch immer in ständigem Kontakt, und wenn MAN Ferrostaal mal irgendein Problem mit Thyssen hat, kann ich einfach Herrn Schulz anrufen. Dann sage ich: Wir haben hier ein Problem, können wir das gemeinsam lösen? Solche Sachen kann man mit Hilfe eines Netzwerks erledigen. Auch wenn man sich das in diesen Monaten schwerlich vorstellen kann: Wir Manager wollen nichts Böses. Wir wollen vor allem Dinge befördern.
Trifft Sie die Kritik an den Managern?
Natürlich. Man muss gerechterweise sagen, dass es wirkliche Auswüchse gegeben hat. Was im Bankensektor passiert ist, dass man sich mit im Grunde künstlichen Gewinnen wahnsinnige Boni reinschiebt – das ist nicht akzeptabel. Auch die Rating-Agenturen haben sich nicht mit Ruhm bekleckert. Ich habe damals mit denen gesprochen und gesagt: »Ich kenne die USA , ich weiß, wie dort Hypotheken vergeben werden. Das sind doch alles Blasen!« Die Dimensionen habe ich zwar nicht im Entferntesten geahnt, aber ich habe gesagt: »Das kann doch überhaupt nicht sein!« Diese Finanzinstrumente sind alle AAA -geratet. Und eine handfeste Firma wie MAN hat das beste Rating aller Industrieunternehmen – ein A Minus.
Sie haben jemanden von einer Ratingagentur direkt angesprochen?
Ja. Ich habe es nicht verstanden, es konnte mir auch keiner erklären. Ich bin selbst im Aufsichtsrat einer kleinen Bank: der Nationalbank. Die hat natürlich in diesen Sachen nur sehr beschränkt mitgemischt. »Alternatives Kreditportfolio« hieß das dort. Aber dieses alternative Kreditportfolio hat auf den Aufsichtsratssitzungen die meisten Diskussionen verursacht. Es waren nicht mal Immobilienkredite in den USA , auf die deren Produkte zurückgingen, sondern irgendwas anderes, sehr Komplexes. Das war ja auch der Sinn des Ganzen. Man hat alles so verkompliziert, dass es kein Mensch mehr durchschaut hat.
Warum sind Manager so anfällig für diesen Herdentrieb? In der New Economy wurde alles – egal, wie wenig substantiell es war – an die Börse gebracht. Dieses Mal stürzten sich alle in den Handel mit Derivaten.
Das ist die Unsicherheit der Leute. Nach dem Motto: Das machen alle so, und wenn ich es falsch mache, haben alle anderen es auch falsch gemacht. Ich bin nicht alleine im Falschmachen. Den Mut, unorthodoxe Entscheidungen zu treffen, haben die wenigsten.
Steht man im Wind, wenn man etwas anders macht?
Klar.
Oder bezahlen Sie den Preis für Ihre unorthodoxen Methoden damit, dass Sie nur ein großes, aber kein DAX -Unternehmen führen?
Für mich ist das
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