Die Daemmerung
kämpfte, so dicht gedrängt, dass er den scharfen, widerlichen Gestank der Angst anderer Leute roch.
25
In Schlaf
Von jenen Elben, welche die Traumlosen genannt werden, heißt es, dass sie nur des Nachts ins Freie gehen und dass sie die Träume von Menschen stehlen, weil sie selbst keine haben. Ferner stehen die Traumlosen in dem Ruf, die Geister ohne den Trigonatssegen gestorbener Menschen als Haustiere
zu
halten und nach Art einer Hundemeute bei der Jagd einzusetzen.
Eine Abhandlung über die Elbenvölker Eions und Xands
Die Dunkelwolke verdeckte bereits einen beträchtlichen Teil des Himmels über dem Fahlstrom, als Barrick die ersten Brücken sah, Vorzeichen der Stadt. Zuerst begriff er gar nicht, dass die asymmetrischen Gebilde Brücken waren, weil sie so sehr wie unregelmäßige, von Wind und Wasser erodierte Natursteinformationen aussahen. Erst als er mehr von Schlaf sah, wurde ihm klar, dass das die Bauweise der Traumlosen war. Selbst ihre durchdachtesten Konstruktionen wirkten absurd zufällig: Es gab kaum je irgendwo eine gerade Linie.
Auf dem Fahlstrom war jetzt immer mehr Betrieb, wenn auch alle Boote und Schiffe, denen sie begegneten — kleine und große, gerudert von grauhäutigen Traumlosen oder kopflosen Blemmys wie ihr eigenes —, totenstill an ihnen vorbeizugleiten schienen. Es stand jedoch außer Zweifel, dass die Insassen Barrick und Pick bemerkten: Selbst der niedrigste Traumlosen-Fischer starrte die Sonnländer an, als hätte er in seinem ganzen langen Leben noch nie etwas so Sonderbares und Abstoßendes gesehen.
»Warum schauen sie uns so an?«, flüsterte Barrick. »Als würden sie uns hassen?«
Pick zuckte die Achseln, beugte sich dann mit seiner Schüssel über das Dollbord, um neues Wasser für seinen Herrn zu schöpfen. »Natürlich mögen sie unseresgleichen nicht gerade.«
»Aber du hast doch gesagt, sie haben hier etliche von uns als Diener.«
»O ja, mein Herr hat viele. Sind auch nicht alle Wimmuai. Manche sind aus den Sonnlanden wie Ihr und ich.«
»Warum starren uns die Traumlosen dann so an?«
Pick schwieg einen Moment, während er wieder unter das Zelt im Bug kroch.
»Bestimmt starren sie unser Boot nur deshalb an, weil es Qu'arus gehört. Vielleicht wundern sie sich, dass sie ihn nicht sehen — er ist in Schlaf weithin bekannt.«
Danach konzentrierte sich der Mann in den Flickenkleidern wieder auf seinen sterbenden Herrn und beantwortete keine Fragen mehr.
Bald erreichten sie das erste Dunkellicht, ein Gebilde auf einer hochgewölbten Brücke, das aussah wie ein Kessel, aus dem reine Schwärze stieg — keine Wolke wie Dampf oder Rauch, sondern dünner und schwerer zu beschreiben, ein Fleck, der sich im Tagesgrau ausbreitete. Er lag über ihnen wie ein Schatten, als sie sich der Brücke näherten und dann drunter durchfuhren. Barrick schauderte.
Als um sie herum das Labyrinth der Stadt auftauchte, nahm die Düsternis zu. Sie passierten immer mehr Dunkellichter, auf Brücken oder wie Fackelleuchter an rauhen Wänden. Die Welt wurde dunkler und dunkler, als ob die Nacht über die Schattenlande hereingebrochen wäre, aber es war eine seltsame Nacht, die sich in Form von Tümpeln um die Dunkellichter ausbreitete, statt sich überall gleichzeitig zu verdichten. Eine ganze Weile hielt sich über ihnen immer noch Zwielicht, grauer Himmel, der durch die Lücken zwischen den Dunkellichtern leuchtete, im Vergleich wie heller Mittag. Dann jedoch gab es keine Lücken mehr: Das Zwielicht war gänzlich verschwunden, ausgesperrt durch einen Vorhang aus tintigem Dunkel.
Und mit der völligen Dunkelheit kamen die Traumlosen selbst, wimmelten aus den Häusern hervor wie Termiten aus einem gespaltenen Baumstamm, wenn Barrick auch zunächst kaum mehr sah als vage Gestalten, die sich durch die Straßen zu beiden Seiten des Flusses und über die Brücken vor ihm bewegten, so grau und undeutlich wie Geister. Als seine Augen sich an die Dunkellichter gewöhnt hatten, konnte er sie besser erkennen. Die Hautfarbe schien bei allen gleich, doch ansonsten waren die Traumlosen genauso verschieden wie die Qar, die er auf dem Kolkansfeld gesehen hatte: Manche hätten leicht als Menschen durchgehen können, andere hingegen waren von so schockierender Gestalt, dass Barrick den Göttern für die Kleider dankte, die diese Kreaturen trugen. Er wurde auch das Gefühl nicht los, dass ihn jeder einzelne Traumlose beobachtete.
Der Fahlstrom wurde ein breiter, steingefasster Kanal, durchweg gesäumt
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