Die Daemonen 01 - Die Daemonen
wieder. Seine Hauer waren ihm dabei sichtlich im Weg. »Woher willst du wissen, ob sich nicht ein Menschenweiblein finden lieβe, das solch geballte Pracht zu schätzen wüsste? Aber das, Tanot, ist wohl nun wirklich nicht dein Fachgebiet. Wir werden eine gute Zukunft haben, du, ich und Orison. Wünsch mir gutes Gelingen.«
Nach diesen Worten schritt der Dämon dreibeinig zu einem Fenster, sprang hinaus und flog davon.
Tanot Ninrogin blickte ihm noch lange hinterher. Fasterwartete er, den Horizont in Flammen aufgehen zu sehen, weil nun zwei Dämonen endgültig aufeinandertrafen.
Zuerst flog Gäus nach Südwesten, um sich davon zu überzeugen, dass die Insel Kelm auβer von ein paar Bergziegen und Mähnenschafen nur von sehr wenigen Siedlern bewohnt wurde. »Verlasst die Insel für einige Zeit«, riet er ihnen, in Gestalt eines leuchtenden Märchenkönigs mit uneindeutigen Umrissen vom Himmel herabschwebend. »Der Krieg wird eurem schönen Eiland einen Besuch abstatten, aber nicht lange bleiben. Nehmt eureHabe und alles, was euch lieb und teuer, und bringt euch auf der Insel Rurga in Sicherheit, bis alles vorüber ist.« Die Siedler stellten keine Fragen. Sie hatten noch niemals zuvor einen leuchtenden Märchenkönig mit uneindeutigenUmrissen vomHimmel herabschweben sehen. Hätte er ihnen gesagt, das Meerwasser sei ab heute trinkbar, hätten sie sich in die Fluten gestürzt und bis zum Erbrechen die Wellen geschlürft. Also stürzten sie sich nun in ihre Boote und stachen nach Osten in See.
Gäus tat es leid um die Bergziegen und Mähnenschafe. Aber vielleicht würden nicht alle von ihnen im bevorstehenden Gefecht umkommen.
Als Nächstes flog er nach Norden und erspähte die aus nur neun Schiffen bestehende Seeflotte der Göttin, wie sie sich bereits südlich von Ulw Ekuerc näherte. Jetzt musste Gäus sein schwierigstes Kunststück vollbringen: Er musste einen Sturm erzeugen, in die Meeresströmungen selbst eingreifen und die Flotte an Ekuerc vorbei zur Insel Kelm lenken, möglichst ohne die Göttin bemerken zu lassen, dass er dahintersteckte. Das erforderte sehr viel Lebenskraft, mehr als die Hälfte dessen, was er vomGramwald eingesogen hatte, aber es schien ihm die einzige akzeptable Taktik zu sein. Er wollte die Schiffe nicht einfach mit Mann und Maus versenken. Er wollte auch nicht zulassen, dass sie gegen das sich vehement wehrende Ekuerc kämpften. Auch wollte er vermeiden, dass die Göttin anschlieβend in ihrem Zorn über die Zerstörung des Gramwaldes Feuer an Ekuerc und alle in der Nähe befindlichen Schlösser, Dörfer und Gehöfte legte. Gäus wollte, dass das sinnloseMorden und Brandschatzen ein Ende fand. Der Krieg musste sich auf den Schauplatz beschränken, auf dem er eigentlich loderte: die Leiber und Seelen der beiden Dämonen Gäus und Irathindur.
Wie ein Albatross schwebte Gäus hoch über der bewegten See. Von der kleinen Flotte aus konnte man ihn nicht ausmachen, einen dunklen Punkt vor dem unbarmherzigen Blick der Sonne. Gäus hob alle sechs Arme zum Himmel und stieβ sie dann hinab. Als wäre er ein gewaltiger Krake, fuhren unsichtbare Verlängerungen seiner Arme bis hinab in das Wasser, durch das Wasser hindurch und bis auf schlammigen Grund. Dann pulste Kraft durch diese Arme wie durch Schläuche. Das Meer spürte Irritationen, dann Schmerzen und bäumte sich auf. Wogen schossen hoch wie Geysire. Wichtig war auch Wind. Ohne Wind würde keiner der Seeleute dem Meer diesen Sturm glauben. Gäus riss seine Arme aus dem Meer, was weiteren Schmerz erzeugte und weitere Wut, mit Widerhaken zog er Schmerz und Wut empor und schleuderte sie aufwärts in das nackte, sonnendurchglühte Blau. Sofort runzelte sich auch hier die Stirn des Himmels. So viel Willkür, so viel Gewalt durften nicht sein und nicht unbeantwortet bleiben! Der Himmel begann zu wüten und zu toben, schleuderte Böen umher, bildete Wolken aus, Wolkenwände, Wolkentürme, Wolkenwalzen, Wolkenfronten. Blitze zuckten. Im Bereich einer einzigen Quadratmeile wurde es nachtdunkel, ringsum irrlichterte weiterhin der Tag wie ein Verrat oder eine Vision. Das Meer und der Himmel begannen gegeneinander zu kämpfen, spuckend und fauchend wie zwei ineinander verkeilte Dämonen. Die neunteilige Flotte der Göttin lag genau im Zerrpunkt beider Kräfte und wurde zum Spielball. Holz schrie auf wie panisches Getier. Zwei der Schiffe zerbarsten. Gäus konnte das nicht mehr verhindern. Die Göttin rannte von Reling zu Reling ihres Viermasters und
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