Die Daemonen 01 - Die Daemonen
sondern auch mit dem, womit er Menschen nährte: mit Zweifeln.
Der Attentäter
Irathindur war zurückgekehrt in den holzig harzfarbenen Leib der Göttin Meridienn. In ihrem riesigen dunkelblauen Himmelbett im Hauptschloss Irathinduriens wälzte er sich unruhig hin und her, keuchte und gurgelte. Diesmal war es kein Anfall. Während seines kurzen Aufenthaltes im Gramwald hatte er sich mit mehr Lebenskraft satt getrunken als jemals zuvor. Es war die Entscheidung, den mit Gäus geschlossenen Pakt brechen zu müssen, die ihn körperlich quälte. Wenn Gäus den Gramwald mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigte, würde Irathindur ihn angreifen. Es gab keine andere Möglichkeit.
Obwohl es immerhin so etwas wie eine Hoffnung, eine echte Zukunftsaussicht gab. Der Gramwald war stark genug, sich ständig selbst zu erneuern. Dort konnte ein Dämon sich äonenlang sättigen. Mehr noch: Man konnte den Gramwald sich ausbreiten lassen, das gesamte nutzlose Achte Baronat mit diesem herrlichen Urwald überwuchern. Eigentlich müsste die Lebenskraft dann auch für zwei Dämonen reichen. Vielleicht tat siedas schon jetzt. Aber es war nun ein Kampf der Prinzipien. Durch seine überhastete Abspaltung vom ursprünglichen Königreich hatte Irathindur sich das Recht verscherzt, auf den Gramwald zugreifen zu können. Und Gäus hatte es ausgesprochen: Nichts war mehr rückgängig zu machen.
Am Fenster kratzte und ächzte etwas. Irathindur schaute dorthin und traute seinen Augen nicht: Obwohl das Fenster sich im neunten Stockwerk des Hauptturmes befand, klimmte sich dort jemand mit blutiggeschrammten, zittrigen Fingern hinauf. Ein Verrückter, rußig, die langen Haare filzig und wirr. Ein Mordmesser zwischen den auffällig weißen Zähnen. Ein Attentäter.
Mit letzter Kraft zog Faur Benesand sich in die Fensteröffnung. Er hatte beinahe eine halbe Stunde für den Aufstieg gebraucht, nachdem er sich rußgeschwärzt im Schutze des Abendzwielichts in das ihm wohlvertraute Hauptschloss geschlichen und dort im Schatten der Ställe darauf gewartet hatte, dass im Schlafgemach der Göttin eine Kerze entzündet würde und diese Kerze dann auch wieder verlosch, wenn sie sich zum Schlafen bettete. Schon früher, in seiner törichten, hoffnungsverseuchten Jugend hatte er sich oft vor ihrem Baronessenturm herumgedrückt und auf die Kerze gewartet. Und darauf, dass sie eine Strickleiter aus dem Fenster zu ihm hinabwarf und ihn bebend vor Verlangen und Abendkälte mit entblößten Brüsten willkommen hieß. Aber jetzt war er hier, um ein Ende zu machen. Die Kletterei, von Fuge zu Fuge, mit zwei hochwillkommenen Zwischenpausen auf waagerecht abstehenden Wimpelmasten, hatte ihm alles abverlangt. Nun war er oben. Allesmusste schnell gehen. Beinahe lautlos glitt er in das Zimmer, verhedderte sich kurz in einem durchsichtigen Vorhang, schnitt diesen dann aber wehrhaft entzwei.
Die Göttin war erwacht und richtete sich im Bett halb auf.
Wie oft hatte Benesand von diesem Augenblick geträumt. Er und sie ganz allein im neunten Stock. Sie nackt im Bett, er männlich dampfend und wild wie ein ungezähmtes Ross von draußen kommend. Nun jedoch blinzelte er irritiert. Ihr Körper sah so anders aus, als er sich ihn immer vorgestellt hatte. Gelblich und krank, dürr und irgendwie spröde – und bar jeglichen Busens! Ihr Gesicht und ihre Haare waren immer noch schön – aber sah so die Frau seiner Träume ohne ihre Kleidung aus? War das der Grund dafür, dass sie immer so enganliegende Korsagen getragen hatte? Aber wo waren die üppigen Formen, die früher unter dem Leder gewogt und sich prall abgezeichnet hatten? All diese schillernden Rundungen, die auch nur zu streicheln Faur Benesand schon zur vollendeten Ekstase gebracht hätten. War dies die Wahrheit? Sah sie so aus, die Göttin, die Angebetete – wenn sie nackt, müde und ungeschminkt war? War dies die Wahrheit über alle Frauen? Faur Benesand konnte es durchaus so scheinen, denn in seiner Liebe zu Meridienn den Dauren war er sein Leben lang so treu und enthaltsam geblieben, dass es ihm an aussagekräftigen Vergleichen fehlte.
Die Angebetete erkannte ihn nicht. Benesand stand mit dem Rücken zum Fenster, nur sein struppiger Umriss und die weißen Zähne waren zu sehen. Faur Benesand, den sie weitweg wähnte, übergelaufen zu Gäusodersonst wem, war niemals struppig gewesen, sondern immer gepflegt und wohlfrisiert. Alles, was sie sah, war nur ein räudiger Mörder, der ihr nach dem Leben
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