Die Daemonen 01 - Die Daemonen
verschmolzen, dass der Gramwald beginnen kann, dich langsam, aber sicher irrsinnig zu machen. Du musstest freikommen, um in Frieden zu herrschen? Dass ich nicht lache! Du warst nichts weiter als ein fetter, träger Schwarzstacheldämon, der zu dämlich war, ohne meine Anweisungen die Schlundwand hinaufzukommen!« Irathindur lachte nochmals, dann wurde er schlagartig ernst. »Aber du hast recht, was den Moment betrifft. Du bist stärker als ich, weil du dich hier seit vielen Wochen vollsaugst wie eine Zecke, während ich nur heute ein einziges Mal vom süßen Nektar kosten durfte. Ich gehe, wie du es von mir verlangst. Aber das wird dir noch leidtun, Gäus. Ich werde zurückkehren und Krieg führen gegen das Achte Baronat, um es zu erobern – und wenn du beschließt, dich in diesen Krieg einzumischen und mich anzugreifen, wirst du es sein, der unseren Pakt bricht, nicht ich!«
»Wenn du dieses Baronat angreifst, ist das genauso, als würdest du mich persönlich angreifen.«
»O nein, mein neungliedriger Kamerad. Dir gehört die Hauptstadt. Die lasse ich in Ruhe. Alles Land jedoch gehört den Baronen. So und nicht anders hat dein mächtiger Orison es verfügt.«
»Aber die Barone und ihre Länder unterstehen dem König!«
»Aber du bist nicht der König! Du bist nur ein Dämon, der sich im König eingenistet hat! Orison jedoch wollte, dass alle Dämonen im Dämonenschlund gefangen sind, ist es nicht so?Wenn du also anfängst, mit seinem Plan und Willen zu argumentieren – welche Rolle gedenkst du dir dann selber zu? Richtig: die eines feigen Flüchtlings und unrechtmäßigen Machtergreifers! Also komm mir nicht damit, dass Orison wollte, dass du herrschst. Genauso gut könnte ich behaupten, dass Orison von mir verlangt, dich Dämon vom Thron zu stoßen und in den Schlund zurückzuwerfen. Lass uns also zumindest ehrlich sein und nicht so tun, als ginge es um mehr, als es tatsächlich geht. Es geht um diesen Wald und die Lebenskraft, die er erzeugt. Und ich werde ihn mir holen, weil mein Verstand noch klar ist und du zu schwach und zu dumm bist, die notwendigen Entscheidungen zu treffen.« Nach diesen Worten nahm Irathindur die geisterhafte Fluggestalt an, die er auch bei der Flucht aus dem Dämonenschlund innegehabt hatte, und sauste zurück Richtung Osten, in sein Hauptschloss.
Gäus blieb noch eine Weile unter den Bäumen. Er sprach mit ihnen wie mit guten, alten Freunden. Er tätschelte ihnen sogar Beruhigung zu.
Es galt, Vorkehrungen zu treffen. Das Achte Baronat alarmieren. Den Gramwald schützen.
Aber Irathindur hatte recht gehabt. Je mehr Gäus sich in diesen bevorstehenden Kampf einmischte, desto mehr war er es, der den Pakt zwischen den beiden Dämonen brach.
»Was ist dieser Pakt denn überhaupt wert?«, quälte ersich. »Ein Händedruck, spontan beschlossen nach gelungener Flucht. Wer sagt denn, dass Dämonen so ehrenhaft sein müssen, sich an so etwas unter allen Umständen zu halten? Können Dämonen nicht einfach nur skrupellos und hinterlistig sein?«
Es spielt keine Rolle, was Dämonen sein können oder nicht , wisperte eine Stimme in ihm. Es kommt darauf an, was du bist. Und offensichtlich bist du ehrenhaft, und Irathindur ist es auch, auf seine eigene, durch Not eingeschränkte Weise.
»Aber was ist«, marterte Gäus sich weiter, »wenn das Einhalten dieses Paktes bedeutet, dass das ganze Land über kurz oder lang von einem Dämon verschlungen wird? Dem Dämon des Krieges, der so viel mächtiger und größer ist als Irathindur und ich und der so viel ehrloser ist als wir beide zusammen. Muss ich nicht jetzt, wo Irathindur noch durch den Kampf mit Helingerdia geschwächt wird, die Gelegenheit ergreifen, Irathindur ein für allemal niederzuwerfen? Ist es nicht hinterher zu spät und der Schaden für ganz Orison unermesslich? «
Brich den Pakt! Zerreiß den Pakt! Vergiss den Pakt!, bohrte die Stimme in ihm. Doch: Brich den Pakt, zerstöre Irathindur – und du bist dann ganz alleine. Ein einziger Dämon. Gegen alle dich fürchtenden Menschen dieser Welt.
Gäus spürte Verzweiflung in sich aufwallen. Verzweiflung, noch schlimmer als Verantwortung. Das Streitgespräch der beiden Stimmen in seinem Inneren brachte ihn dazu, sich die Ohren zuzuhalten und sein blindes Gesicht in weiches Moos zu pressen.
Gehörte eine dieser beiden Stimmen dem jungen König Tenmac? Gäus wusste es nicht. Er konnte sich selbst nicht mehr auseinanderhalten. Der Gramwald nährte ihn tatsächlich nicht nur mit Kraft,
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