Die Daemonen 02 - Freiheit oder Finsternis
Snidralek bereits in Reih und Glied gepresst, musste marschieren, durfte nur Essenfassen und Wasserlassen, wenn es den tierschnauzigen Offizieren so passte, und wurde zum Kämpfen getrieben.
Kämpfen?
Wenn man einer der Kleinsten war?
Nur ein paar Wanzendämonen und Wurmdämonen waren noch unbeträchtlicher und kläglicher als Snidralek, aber von denen verlangte auch niemand etwas. Die mussten nicht Teil einer Truppe werden, in der nur die Kräftigsten bei der Vorratsverteilung richtig zum Zuge kamen, und bei der die Kleineren zu befürchten hatten, von den Größeren gefressen zu werden, wenn sie es wagten, aufzumucken.
Die Offiziere hatten ja überhaupt keine Ahnung! Dutzende von schwächlicheren Dämonen waren bereits in den Rachen und Mägen der anderen verschwunden. Genaue Zahlen erhob niemand. Es wurde immer nur geschätzt, und in einem wimmelnden Haufen fällt es leicht, sich zu verschätzen. Snidralek wusste gar nicht,was schlimmer war: die aberwitzig ungeordneten Gefechte um die Schlösser, das Marschieren dazwischen bei irrsinnig kaltem Regenwetter durch knietiefen Schlamm und Finsternis oder die Ruhephasen zwischen dem Gemetzel und Gematsche, wenn man die Repressalien der Größeren zu befürchten und durchleiden hatte.
Als er hörte, dass Feldherr Culcah Freiwillige suchte für eine kriegswichtige Mission, bei der man des eigenen Körpers verlustig gehen konnte, meldete er sich sofort. Er legte keinen Wert mehr auf seinen winzigen, bauchigen, schmerzenden Leib.
Vier andere Dämonen waren vor ihm an der Reihe.
Die Mission lautete: den Körper der menschlichen Königin Lae in Besitz zu nehmen und sie entweder im dämonischen Sinne zu lenken, sie wahnsinnig erscheinen zu lassen oder ihren Körper einem fingierten Freitod zuzuführen.
Das Problem dabei war, dass der derzeitige Aufenthaltsort wie auch das genaue Aussehen der Königin Lae den Dämonen nicht bekannt war.
Vor einundzwanzig Jahren war es den beiden inzwischen legendären Ausbrechern Gäus und Irathindur gelungen, den menschlichen König und eine menschliche Baroness in Besitz zu nehmen. Aber die beiden hatten es verhältnismäßig leicht gehabt. Der König war höchstpersönlich bei ihnen am Dämonenschlund erschienen und hatte ihnen zwei noch körperwarme Ohrringe als Besessenheitspfand zukommen lassen. Die Baroness wiederum war deutlich und leuchtend in den Phantasien eines unglücklich in sie verliebten Koordinators erschienen. Man hatte sie gar nicht verfehlen können, so trunken vor Liebe war man gewesen.
Nun jedoch musste auf gut Glück operiert werden. Sie folgten einem Titel und einer ungefähren Richtung, mehr hatten sie nicht.
Der erste Freiwillige kam nur wenige Hundert Schritt weit. Seine stofflose Essenz verflüchtigte sich unkonzentriert im Chaos des umliegenden Heerlagers und konnte nie wieder sinnstiftend zusammengesetzt werden.
Der Zweite verflog sich auf der Suche nach Orison-Stadt. Ein frei umherjagender Bussard hielt ihn für das Gespenst eines Täubchens und tötete ihn in der Luft.
Der Dritte erreichte Orison-Stadt, fuhr jedoch in die falsche Frau. Er nahm die erstbeste Aristokratin, die sich königlich gebärdete, und kam dann aus der nicht mehr raus. Wenige Wochen später starb er in ihr auf der heillosen Flucht nach Norden.
Der Vierte war ein Rückschlag. Er verließ zwar den eigenen Körper, der Körper starb jedoch sofort. Panisch und von Heimatverlustgefühlen gepeinigt brachte sich die Essenz dieses Dämonen um, indem sie verklumpte und als winziges ektoplasmisches Restchen zu Boden trudelte.
Snidralek kam am weitesten.
Er stieg auf ohne Leib und sah auf das Heer hinunter. Für einen, der es gewohnt war, zu anderen aufzuschauen, war das ein atemberaubender Anblick. Fast bildeten sich von oben betrachtet Muster im Gewimmel, aber nur fast. Das Heer war ein Sauhaufen, selbst von oben.
Jetzt schwebte er nach Norden. Er ließ sich vom Wind und von anderen, möglicherweise magnetischen Strömungen treiben. Er konnte sogar zwei Daseinsspuren erkennen von den beiden Dämonen, die vor ihm Richtung Orison-Stadt aufgebrochen und die über das Lagerhinausgekommen waren. Snidralek folgte diesen Spuren argwöhnisch, die beiden waren schließlich nicht zurückgekehrt. Tatsächlich verlor sich die eine der Spuren in einer Art blassrosa Detonation in der Luft. Das war also der Tod von einem, der keinen Körper mehr hatte.
Die andere Daseinsspur führte aufwärts und weiter nach Norden. Auf ihrer Fährte durchstieß
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