Die Daemonen 02 - Freiheit oder Finsternis
erschlagen gesehen habe. Du alterst nicht! Du … fürchtest dich nicht! Sämtliche Armeen des irathindurischen Krieges haben sich damals um dich gerissen! Du trägst die Zähne eines Bären im Mund! Du bist ein Dämon, aber glücklicherweise, glücklicherweise auf der Seite der Menschen!«
»Warum bin ich auf der Seite der Menschen? Wie kommst du darauf?«
Für einen Moment hatte Taisser das Gefühl, eine vom Strand zurückfließende Woge nähme seinen Magen mit. »Na, du bist ein Mensch! Oder etwa nicht? Bist du kein Mensch?«
»Ich denke schon. Zumindest bin ich als Mensch geboren worden. Aber wie kommst du auf die Idee, dass ich deshalb etwas mit anderen Menschen zu tun haben muss? Ich bin viel herumgekommen, Taisser. Ich war im Gefängnis, in den Inneren Schlössern des Inneren Zir kels . Ich habe selbst das Wolkenpeinigergebirge von innen gesehen. Und ich habe einen Feldzug mitgemacht, der von dorthin nach hierhin führte. Ich bin nicht auf dieser Insel geblieben, weil sie so schön duftet. Ich bin hiergeblieben, weil ich – ehrlich gesagt – keinen von euch Menschen jemals wiedersehen wollte.«
»Was redest du da? Lae war immer gut zu dir. Ich war immer gut zu dir …«
Minten erhob sich. Seine Kämpfervisage war verfinstert. »Nein, Taisser. Sieh du dich an! Höre selbst, was du da redest! Du stehst vor mir, alt wie dein eigener Vater, und erzählst mir, ihr habt schon wieder Krieg. War es wieder einmal an der Zeit, ja? Braucht ihr den Krieg, um euch bei Laune zu halten? Werdet ihr nicht schlau aus diesem ganzen Irrsinn?«
»Aber wir tragen keine Schuld, Minten! Diesmal wirklich nicht! Der Krieg wird uns aufgezwungen von Dämonen! Die Welt wird untergehen, und alle Menschen mit ihr, wenn du und ich uns nicht zusammentun, um etwas zu unternehmen!«
»Was kümmert mich die Welt?«
»Was kümmert dich die Welt? Was kümmert dich die Welt?! Ja, nichts natürlich, solange du auf dieser gottverfluchten Insel den lieben langen Tag lang Däumchen drehen kannst! Aber wenn die Dämonen erstmal das Festland überrannt haben, werden sie sich umschauen, wo es noch etwas zu holen geben könnte. Dann wird ihr Blick auf Kelm fallen, oh, seht mal da! Was für ein hübsches kleines Paradieschen. Und dann wird dein hübsches kleines Paradieschen eingemeindet, dass es nur so raucht!« Die beiden standen sich nun gegenüber, ähnlich wie Gäus und Irathindur vor einundzwanzig Jahren, an ebendiesem Strand.
Durch Mintens wuchernden Bart fraß sich langsam ein Lächeln. »Mit Menschen bin ich nie zurechtgekommen. Vielleicht fällt es mir mit Dämonen leichter.«
»Oh, natürlich. Verbrüdere dich mit ihnen! Sie werdenbegeistert von dir sein, wenn sie erst erfahren, dass du damals einen von ihnen ermordet hast!«
»Das war kein Mord. Das war nicht einmal ein echter Kampf. Ich habe nichts weiter getan, als meine Klinge zu halten, damit der Dämon sich selbst an ihr töten konnte. Tenmac III. Ebensoein Dämon wie die Baroness den Dauren.«
»Was redest du für einen Unsinn?«
»Nein, Taisser. Du bist es, der nichts weiß. Was vorgefallen ist. Was vorfallen wird. Ich kann dir noch etwas verraten. Soll ich dir etwas verraten? Worte, die ich seit zwei Jahren im Kopf habe, als wären sie mir mit Kreide eingeschrieben?«
»Wovon sprichst du?«
Minten schloss die Augen und rezitierte: » Es hat niemals so etwas wie menschliche Magier gegeben. Auch keine Landdrachen, Flugechsen, Unholde und Einhörner. Das waren alles Dämonen, die in Menschen, Leguane, Vögel, Affen, Pferde und anderes Getier schlüpften, um sich auszutoben, ihre Grenzen auszuloten, lebendig zu sein. In dieser Gier nach dem Leben und dieser unbändigen Freude am Lebendigsein brauchten sie aber schließlich die ganze ihnen verfügbare Lebenskraft auf, bis nichts mehr da war, das ihnen in Zukunft zur Nahrung und Stärkung gereichen konnte. Dem Weisesten von ihnen, Orison dem Dämonenkönig, blieb nichts anderes übrig, als sie alle in den Schlund zu führen – nicht um sie gefangen zu setzen und zu bannen, sondern um ihnen wenigstens noch eine Weiterexistenz zu ermöglichen, wenngleich auch ohne Freiheit. Orison war gestorben, erschöpft, zu Licht zerflossen und wiederauferstanden im ewigen Kreislauf des von ihm geschaffenen Strudels. Das Land, das zur Erinnerung nochseinen Namen trug, ging trostlos über an die Menschen, die ihre Lebenskraft aus sich selbst erzeugten, weil sie schliefen, wenn sie müde waren, weil sie andere Lebewesen fraßen, wenn
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