Die Daemonen 02 - Freiheit oder Finsternis
sie Hunger verspürten, und weil sie Arbeiten unter sich aufteilten und zusammen größer waren als der Einzelne, um sich gegen die Natur und das Leben zu behaupten. Immer gegen das Leben, niemals mit ihm. Und so verschwand alle Magie aus der Welt, und selbst die Dämonen vergaßen, dass niemand außer ihnen selbst die Dämonen jemals hatte bändigen können. «
Taisser starrte seinen früheren Freund fassungslos an. »Orison … der … Dämonenkönig? Was erzählst du da für Märchen?«
Minten öffnete die Augen wieder. »Das ist kein Märchen. Das ist die Welt, die euch eingemeinden kommt. Und jetzt entschuldige mich bitte. Ich habe es mir nämlich abgewöhnt, Lebewesen zu fressen, wenn ich Hunger verspüre, und bin deshalb darauf angewiesen, mir beim Däumchendrehen ausreichend Früchte und Beeren zu sammeln.«
»Ich bin Berater einer Königin. Ich werde mich nicht einfach so von dir abweisen lassen.«
»Na, dann viel Vergnügen bei der Suche nach mir. Du wirst feststellen, dass Kelm ziemlich groß ist, wenn man Kelm von innen betrachtet.« Minten wandte sich ab und ging in den Wald. Taisser ballte die Fäuste, entkrampfte sie dann wieder, ballte sie erneut und folgte Minten. Aber schon nach kurzer Zeit hatte er diesen im Gestrüpp aus den Augen verloren. Er weigerte sich, das zu akzeptieren, suchte in allen möglichen Richtungen, und musste feststellen, dass er weder besonders schnell noch besonders geschickt war. Er versuchte MintensFährte zu finden, und musste einsehen, dass er als Spurenleser vollkommen ungeeignet war. Er brüllte Mintens Namen, aber außer dem Gekreische aufschreckender Vögel antwortete ihm nichts. Er lauschte, aber hörte nur das empörte Wummern seines eigenen Herzens.
Noch immer weigerte er sich, Mintens Absage zu akzeptieren. Es ging um zu viel, um ganz Orison. Um Orison, den Dämonenkönig . Zweifel wischte er beiseite. Nachdem er die Bucht gefunden hatte, in der Blannitt neu vor Anker gegangen war, suchte und rief er noch den ganzen Tag, einen Großteil der folgenden Nacht und die Hälfte des nächsten Tages nach Minten Liago, aber keine Fußspuren, keine Feuerstellen, keine frisch geernteten Früchte oder geknickten Gräser, nichts war zu finden. So, als hätte Minten nur in Taissers Vorstellung noch gelebt. Es gab auch keine Zeugen für ihre Begegnung am Strand. Minten erst vierundzwanzig Jahre alt – war das nicht ohnehin vollkommen unglaubwürdig?
»Vielleicht habe ich auf See einen Sonnenstich erhalten?«, versuchte Taisser sich einzureden, aber der Himmel war fast immer bedeckt gewesen. Die Sonne war im Winter scheu.
Oberhalb der Stelle, wo sie einander begegnet waren und wo die unermüdlichen Wellen längst sämtliche Spuren getilgt hatten, hinterließ Taisser, beschwert von einer Turmmuschel, einen Zettel mit einer Botschaft:
Falls du es dir anders überlegst,
falls du bereit bist, deinen Platz in den Reihen des
Landes einzunehmen,
das dich genährt und großgezogen hat
– ich gehe von hier aus nach Rurga,
wo man zu kämpfen bereit ist
und Feigheit verachtet.
Dass dies irgendwie Unsinn war, fiel Taisser selbst auf. Wie sollte Minten die Insel Rurga erreichen – ohne ein Boot? Blannitt konnte ihm kein Beiboot dalassen, da Blannitt keins besaß.
Es war sinnlos. Taissers Mission war bis hierhin ein Fehlschlag.
Er schwamm wieder durch kalte Wogen zur Miralbra hinüber und stach mit Blannitt und Eker Nuva Richtung Rurga in See. Blannitt beschwerte sich zwar, weil ihm vorher niemand gesagt hatte, dass es nun auch noch nach Osten gehen würde, aber Taisser rechnete ihm vor, wie viel Trinkbares sich mit den Stücken kaufen ließ, die er als zusätzliche Entschädigung erhielt. Seltsamerweise war Blannitt nicht weiter beeindruckt. »Ich könnte euch zwei Stadtnasen auch einfach über Bord gehen lassen und alle eure Stücke behalten. Es ist Krieg. Wer würde mir da etwas nachsagen können?« Aber er beließ es beim Murren.
Während der Überfahrt zwischen den beiden südlichen Inseln dachte Taisser wieder und wieder über die rätselhafte Legende nach, den seine Vision Minten Liagos ihm aufgesagt hatte.
Orison, der Magier, Orison, der Erretter, Orison, der Begründer des neungeteilten Landes – ein Dämon, ein Dämonenkönig? So etwas konnte doch nur der Vorstellungskraft von jemandem entsprungen sein, der seit Jahrzehnten auf einer verlassenen Insel hauste und daran innerlich zugrunde ging, auch wenn es ihn jung und bei körperlicher Gesundheit
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