Die Daemonen 02 - Freiheit oder Finsternis
Armreif!«
Dann ließ er gegen die Mauern anrennen.
Das Bild war imposant. Es waren diesmal nicht nur 5000 Kämpfer wie beim Inneren Schloss, sondern mehr als 80 000 Fußsoldaten, die wider die Mauern brandeten. Die Gegenwehr war nur schwach, aber vorhanden. Menschen schossen mit Pfeilen, schleuderten Speere, wuchteten Pech, siedendes Öl, brennende Wergballen und tonscherbengespickte Abfallkugeln über die Zinnen. An die 3000 Dämonen verloren so ihr Leben, aber im allgegenwärtigen Gewimmel fiel das nicht weiter auf. Im Gegenteil: Es stellte Proviant bereit für die Kämpfenden. In Öl gesottenen Proviant oder welchen am Spieß.
Culcah arbeitete nicht mit Gerätschaften. Er ließ keine Schleudern errichten, keine Belagerungstürme, ließ keine Erdwälle aufschichten. Ihm standen Soldaten zur Verfügung, die jeglicher Beschreibung spotteten.
Er hieß geflügelte Dämonen von oben Steine und Flammenbälle werfen. Orison-Stadt begann erst zu zersplittern, dann überganglos zu brennen.
Nach einer Beratung mit seinem Offiziersstab beschloss Culcah dann, die Stadt lieber doch nicht ein Raub der Flammen werden zu lassen, weil sie immerhin vor einem Winter, dessen Verlauf nicht abzuschätzen war, genügend Unterkünfte bot. Er ließ also geflügelte Dämonen Wasser auf die Brände schütten.
Die Mauern stürzten bereits am dritten Tag der Belagerung. Culcah verlor noch einmal 2000 Dämonen, die beim anschließenden jubelnden Erstürmen der Stadtgegen Gebäude gedrückt und zerquetscht wurden, aber das spielte nun keine Rolle mehr.
Er hatte gesiegt. Er hatte die Hauptstadt der Menschen eingenommen.
Er war der größte Heerführer, den dieses Land jemals gesehen hatte.
In einem seiner drei Gesichter bildete sich der Gedanke, ob er Orison die Stirn bieten solle, wenn dieser sich endlich aus dem Schlund bequemte, um sich die Krone des Landes aufzusetzen. Doch die zwei anderen Gesichter überstimmten das hochmütige, bevor es sich auf eine Art und Weise äußern konnte, die ihnen allen später zum Nachteil gereichen würde.
Orogontorogon hielt sich während des Kampfes um die Stadt aus dem gröbsten Getümmel heraus. Das Menschenmädchen Genja, das er im Inneren Schloss geraubt hatte, beanspruchte einen großen Teil seiner Aufmerksamkeit. Mal war ihr kalt, dann war ihr heiß, dann war sie müde, dann war ihr langweilig, dann hatte sie Hunger oder Durst oder musste dringend mal, oder mit ihrer schlenkerigen Stoffpuppe Entchen war irgendetwas nicht in Ordnung. Orogontorogon stellte fest, dass es eine mühselige Angelegenheit war, sich einen Menschen zu halten, aber dennoch wollte er nicht davon Abstand nehmen. Niemand sonst im Heer hatte so etwas. Er war auch neugierig darauf, ob Genja sich wirklich bald in einen großen Menschen, in eine Frau verwandeln würde – aber bislang war davon noch nichts zu sehen, obwohl der Hundedämon Unmengen von Nahrung und Schmelzwasser in ihren kleinen, gierigen Plappermund stopfte.
Am meisten strengten ihn ihre dauernden Fragen an.
»Duuu, Oro?« Sie konnte sich seinen Namen nicht merken und nannte ihn deshalb Oro. »Warum hat der Onkel denn ein Auge mitten auf der Stirn? Kann er damit mehr sehen als wir? Warum hat der Onkel kein Gesicht? Wie kann er so was sehen? Warum hat die Tante da vorne Flügel und die andere da hinten nicht? Ist das nicht ungerecht? Duuu, Oro? Ist das überhaupt eine Tante oder ein Onkel? Was trinkst du da? Ich will auch! Wie heißt dieses Tier dort mit den zwölf Armen? Ist das ein Tier oder ein Onkel? Warum kannst du ihn nicht nach seinem Namen fragen? Hast du Schiss? Du hast doch keinen Schiss, oder? Kommen Mama und Papa bald wieder? Gehen wir dann wieder nach Hause? Wann gehen wir nach Hause? Ist das Fest nicht bald mal auch zu Ende? Warum müssen die alle immer so schreien? Warum macht ihr keine Musik, das wäre doch viel lustiger beim Wandern? Bist du stärker als der da mit dem Fischgesicht? Bestimmt bist du stärker als der mit dem Fischgesicht! He, Fischgesicht! Oro ist bestimmt viel stärker als du! Hab ich’s nicht gesagt, Oro? War doch keine Sache! Warum knurrst du so? Bist du jetzt sauer, Oro? Wohin gehen wir jetzt? Gehen wir danach nach Hause? Was isst du da? Ist das nicht ungesund? Mama sagt immer, so was ist nicht gesund kurz vorm Schlafengehen! Wo wohnt deine Mama? Ist deine Mama genau so rot wie du? Unsinn, jeder hat eine Mama! Deine war vielleicht eine Hundemama, glaubst du nicht auch? Hm, Oro? Sag doch, Oro? Schmollst du? Bist du schon
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